Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
mung stehen müssen, und die Analogien der Erfahrung, von denen wir iezt handeln wollen, müssen dergleichen Regeln seyn.
Diese Grundsätze haben das besondere an sich, daß sie nicht die Erscheinungen, und die Synthesis ihrer em- pirischen Anschauung, sondern blos das Daseyn, und ihr Verhältniß unter einander, in Ansehung dieses ihres Da- seyns erwägen. Nun kan die Art, wie etwas in der Er- scheinung apprehendirt wird, a priori dergestalt bestimt seyn, daß die Regel ihrer Synthesis zugleich diese Anschau- ung a priori in iedem vorliegenden empirischen Beyspiele geben: d. i. sie daraus zu Stande bringen kan. Allein das Daseyn der Erscheinungen kan a priori nicht erkant werden, und, ob wir gleich auf diesem Wege dahin ge- langen könten, auf irgend ein Daseyn zu schliessen, so würden wir dieses doch nicht bestimt erkennen, d. i. das, wodurch seine empirische Anschauung sich von andern un- terschiede, anticipiren können.
Die vorigen zwey Grundsätze, welche ich die mathe- matische nante, in Betracht dessen, daß sie die Mathema- tik auf Erscheinungen anzuwenden berechtigten, gingen auf Erscheinungen ihrer blossen Möglichkeit nach, und lehrten, wie sie so wol ihrer Anschauung, als dem Realen ihrer Wahrnehmung nach, nach Regeln einer mathematischen Synthesis erzeugt werden könten; daher so wol bey der einen, als bey der andern die Zahlgrössen, und, mit ih- nen, die Bestimmung der Erscheinung als Grösse, gebraucht
wer-
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
mung ſtehen muͤſſen, und die Analogien der Erfahrung, von denen wir iezt handeln wollen, muͤſſen dergleichen Regeln ſeyn.
Dieſe Grundſaͤtze haben das beſondere an ſich, daß ſie nicht die Erſcheinungen, und die Syntheſis ihrer em- piriſchen Anſchauung, ſondern blos das Daſeyn, und ihr Verhaͤltniß unter einander, in Anſehung dieſes ihres Da- ſeyns erwaͤgen. Nun kan die Art, wie etwas in der Er- ſcheinung apprehendirt wird, a priori dergeſtalt beſtimt ſeyn, daß die Regel ihrer Syntheſis zugleich dieſe Anſchau- ung a priori in iedem vorliegenden empiriſchen Beyſpiele geben: d. i. ſie daraus zu Stande bringen kan. Allein das Daſeyn der Erſcheinungen kan a priori nicht erkant werden, und, ob wir gleich auf dieſem Wege dahin ge- langen koͤnten, auf irgend ein Daſeyn zu ſchlieſſen, ſo wuͤrden wir dieſes doch nicht beſtimt erkennen, d. i. das, wodurch ſeine empiriſche Anſchauung ſich von andern un- terſchiede, anticipiren koͤnnen.
Die vorigen zwey Grundſaͤtze, welche ich die mathe- matiſche nante, in Betracht deſſen, daß ſie die Mathema- tik auf Erſcheinungen anzuwenden berechtigten, gingen auf Erſcheinungen ihrer bloſſen Moͤglichkeit nach, und lehrten, wie ſie ſo wol ihrer Anſchauung, als dem Realen ihrer Wahrnehmung nach, nach Regeln einer mathematiſchen Syntheſis erzeugt werden koͤnten; daher ſo wol bey der einen, als bey der andern die Zahlgroͤſſen, und, mit ih- nen, die Beſtimmung der Erſcheinung als Groͤſſe, gebraucht
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
mung ſtehen muͤſſen, und die Analogien der Erfahrung,
von denen wir iezt handeln wollen, muͤſſen dergleichen
Regeln ſeyn.
Dieſe Grundſaͤtze haben das beſondere an ſich, daß
ſie nicht die Erſcheinungen, und die Syntheſis ihrer em-
piriſchen Anſchauung, ſondern blos das Daſeyn, und ihr
Verhaͤltniß unter einander, in Anſehung dieſes ihres Da-
ſeyns erwaͤgen. Nun kan die Art, wie etwas in der Er-
ſcheinung apprehendirt wird, a priori dergeſtalt beſtimt
ſeyn, daß die Regel ihrer Syntheſis zugleich dieſe Anſchau-
ung a priori in iedem vorliegenden empiriſchen Beyſpiele
geben: d. i. ſie daraus zu Stande bringen kan. Allein
das Daſeyn der Erſcheinungen kan a priori nicht erkant
werden, und, ob wir gleich auf dieſem Wege dahin ge-
langen koͤnten, auf irgend ein Daſeyn zu ſchlieſſen, ſo
wuͤrden wir dieſes doch nicht beſtimt erkennen, d. i. das,
wodurch ſeine empiriſche Anſchauung ſich von andern un-
terſchiede, anticipiren koͤnnen.
Die vorigen zwey Grundſaͤtze, welche ich die mathe-
matiſche nante, in Betracht deſſen, daß ſie die Mathema-
tik auf Erſcheinungen anzuwenden berechtigten, gingen auf
Erſcheinungen ihrer bloſſen Moͤglichkeit nach, und lehrten,
wie ſie ſo wol ihrer Anſchauung, als dem Realen ihrer
Wahrnehmung nach, nach Regeln einer mathematiſchen
Syntheſis erzeugt werden koͤnten; daher ſo wol bey der
einen, als bey der andern die Zahlgroͤſſen, und, mit ih-
nen, die Beſtimmung der Erſcheinung als Groͤſſe, gebraucht
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/208>, abgerufen am 24.11.2024.
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