Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
ben. Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil posse re- verti, waren zwey Sätze, welche die Alten unzertrent verknüpften, und die man aus Mißverstand iezt bisweilen trent, weil man sich vorstellt, daß sie Dinge an sich selbst angehen, und der erstere der Abhängigkeit der Welt von einer obersten Ursache (auch so gar ihrer Substanz nach) entgegen seyn dürfte, welche Besorgniß unnöthig ist, in- dem hier nur von Erscheinungen im Felde der Erfahrung die Rede ist, deren Einheit niemals möglich seyn würde, wenn wir neue Dinge (der Substanz nach) wollten entste- hen lassen. Denn alsdenn fiele dasienige weg, welches die Einheit der Zeit allein vorstellen kan, nemlich, die Iden- tität des Substratum, als woran aller Wechsel allein durchgängige Einheit hat. Diese Beharrlichkeit ist indes doch weiter nichts, als die Art, uns das Daseyn der Dinge (in der Erscheinung) vorzustellen.
Die Bestimmungen einer Substanz, die nichts an- ders sind, als besondere Arten derselben, zu existiren, heissen Accidenzen. Sie sind iederzeit real, weil sie das Daseyn der Substanz betreffen, (Negationen sind nur Be- stimmungen, die das Nichtseyn von etwas an der Sub- stanz ausdrücken). Wenn man nun diesem Realen an der Substanz ein besonderes Daseyn beygelegt, (z. E. der Be- wegung, als einem Accidenz der Materie) so nent man dieses Daseyn die Inhärenz, zum Unterschiede vom Da- seyn der Substanz, die man Subsistenz nennt. Allein
hier-
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
ben. Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil poſſe re- verti, waren zwey Saͤtze, welche die Alten unzertrent verknuͤpften, und die man aus Mißverſtand iezt bisweilen trent, weil man ſich vorſtellt, daß ſie Dinge an ſich ſelbſt angehen, und der erſtere der Abhaͤngigkeit der Welt von einer oberſten Urſache (auch ſo gar ihrer Subſtanz nach) entgegen ſeyn duͤrfte, welche Beſorgniß unnoͤthig iſt, in- dem hier nur von Erſcheinungen im Felde der Erfahrung die Rede iſt, deren Einheit niemals moͤglich ſeyn wuͤrde, wenn wir neue Dinge (der Subſtanz nach) wollten entſte- hen laſſen. Denn alsdenn fiele dasienige weg, welches die Einheit der Zeit allein vorſtellen kan, nemlich, die Iden- titaͤt des Subſtratum, als woran aller Wechſel allein durchgaͤngige Einheit hat. Dieſe Beharrlichkeit iſt indes doch weiter nichts, als die Art, uns das Daſeyn der Dinge (in der Erſcheinung) vorzuſtellen.
Die Beſtimmungen einer Subſtanz, die nichts an- ders ſind, als beſondere Arten derſelben, zu exiſtiren, heiſſen Accidenzen. Sie ſind iederzeit real, weil ſie das Daſeyn der Subſtanz betreffen, (Negationen ſind nur Be- ſtimmungen, die das Nichtſeyn von etwas an der Sub- ſtanz ausdruͤcken). Wenn man nun dieſem Realen an der Subſtanz ein beſonderes Daſeyn beygelegt, (z. E. der Be- wegung, als einem Accidenz der Materie) ſo nent man dieſes Daſeyn die Inhaͤrenz, zum Unterſchiede vom Da- ſeyn der Subſtanz, die man Subſiſtenz nennt. Allein
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
ben. Gigni de nihilo nihil, in nihilum nil poſſe re-
verti, waren zwey Saͤtze, welche die Alten unzertrent
verknuͤpften, und die man aus Mißverſtand iezt bisweilen
trent, weil man ſich vorſtellt, daß ſie Dinge an ſich ſelbſt
angehen, und der erſtere der Abhaͤngigkeit der Welt von
einer oberſten Urſache (auch ſo gar ihrer Subſtanz nach)
entgegen ſeyn duͤrfte, welche Beſorgniß unnoͤthig iſt, in-
dem hier nur von Erſcheinungen im Felde der Erfahrung
die Rede iſt, deren Einheit niemals moͤglich ſeyn wuͤrde,
wenn wir neue Dinge (der Subſtanz nach) wollten entſte-
hen laſſen. Denn alsdenn fiele dasienige weg, welches die
Einheit der Zeit allein vorſtellen kan, nemlich, die Iden-
titaͤt des Subſtratum, als woran aller Wechſel allein
durchgaͤngige Einheit hat. Dieſe Beharrlichkeit iſt indes
doch weiter nichts, als die Art, uns das Daſeyn der Dinge
(in der Erſcheinung) vorzuſtellen.
Die Beſtimmungen einer Subſtanz, die nichts an-
ders ſind, als beſondere Arten derſelben, zu exiſtiren,
heiſſen Accidenzen. Sie ſind iederzeit real, weil ſie das
Daſeyn der Subſtanz betreffen, (Negationen ſind nur Be-
ſtimmungen, die das Nichtſeyn von etwas an der Sub-
ſtanz ausdruͤcken). Wenn man nun dieſem Realen an der
Subſtanz ein beſonderes Daſeyn beygelegt, (z. E. der Be-
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ſeyn der Subſtanz, die man Subſiſtenz nennt. Allein
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/216>, abgerufen am 25.11.2024.
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