Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
müssen, und stellete ich mir darunter doch etwas obiectives
vor, sie einen blossen Traum nennen. Also ist das Ver-
hältniß der Erscheinungen, (als möglicher Wahrnehmun-
gen) nach welchem das Nachfolgende (was geschieht) durch
etwas vorhergehendes seinem Daseyn nach nothwendig, und
nach einer Regel in der Zeit bestimt ist, mithin das Ver-
hältniß der Ursache zur Wirkung die Bedingung der obiecti-
ven Gültigkeit unserer empirischen Urtheile, in Ansehung
der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empirischen
Wahrheit derselben, und also der Erfahrung. Der Grund-
satz des Caussalverhältnisses in der Folge der Erscheinun-
gen gilt daher auch vor allen Gegenständen der Erfahrung,
(unter den Bedingungen der Succeßion) weil er selbst der
Grund der Möglichkeit einer solchen Erfahrung ist.

Hier äussert sich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben
werden muß. Der Satz der Caussalverknüpfung unter den
Erscheinungen ist in unsrer Formel auf die Reihenfolge dersel-
ben eingeschränkt, da es sich doch bey dem Gebrauch desselben
findet, daß er auch auf ihre Begleitung passe, und Ursache
und Wirkung zugleich seyn könne. Es ist z. B. Wärme im
Zimmer, die nicht in freyer Luft angetroffen wird.
Ich sehe mich nach der Ursache um, und finde einen ge-
heizten Ofen. Nun ist dieser, als Ursache, mit seiner
Wirkung, der Stubenwärme, zugleich; also ist hier keine
Reihenfolge, der Zeit nach, zwischen Ursache und Wirkung,
sondern sie sind zugleich, und das Gesetz gilt doch. Der

größte

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
muͤſſen, und ſtellete ich mir darunter doch etwas obiectives
vor, ſie einen bloſſen Traum nennen. Alſo iſt das Ver-
haͤltniß der Erſcheinungen, (als moͤglicher Wahrnehmun-
gen) nach welchem das Nachfolgende (was geſchieht) durch
etwas vorhergehendes ſeinem Daſeyn nach nothwendig, und
nach einer Regel in der Zeit beſtimt iſt, mithin das Ver-
haͤltniß der Urſache zur Wirkung die Bedingung der obiecti-
ven Guͤltigkeit unſerer empiriſchen Urtheile, in Anſehung
der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empiriſchen
Wahrheit derſelben, und alſo der Erfahrung. Der Grund-
ſatz des Cauſſalverhaͤltniſſes in der Folge der Erſcheinun-
gen gilt daher auch vor allen Gegenſtaͤnden der Erfahrung,
(unter den Bedingungen der Succeßion) weil er ſelbſt der
Grund der Moͤglichkeit einer ſolchen Erfahrung iſt.

Hier aͤuſſert ſich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben
werden muß. Der Satz der Cauſſalverknuͤpfung unter den
Erſcheinungen iſt in unſrer Formel auf die Reihenfolge derſel-
ben eingeſchraͤnkt, da es ſich doch bey dem Gebrauch deſſelben
findet, daß er auch auf ihre Begleitung paſſe, und Urſache
und Wirkung zugleich ſeyn koͤnne. Es iſt z. B. Waͤrme im
Zimmer, die nicht in freyer Luft angetroffen wird.
Ich ſehe mich nach der Urſache um, und finde einen ge-
heizten Ofen. Nun iſt dieſer, als Urſache, mit ſeiner
Wirkung, der Stubenwaͤrme, zugleich; alſo iſt hier keine
Reihenfolge, der Zeit nach, zwiſchen Urſache und Wirkung,
ſondern ſie ſind zugleich, und das Geſetz gilt doch. Der

groͤßte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0232" n="202"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">II.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;tellete ich mir darunter doch etwas obiectives<lb/>
vor, &#x017F;ie einen blo&#x017F;&#x017F;en Traum nennen. Al&#x017F;o i&#x017F;t das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß der Er&#x017F;cheinungen, (als mo&#x0364;glicher Wahrnehmun-<lb/>
gen) nach welchem das Nachfolgende (was ge&#x017F;chieht) durch<lb/>
etwas vorhergehendes &#x017F;einem Da&#x017F;eyn nach nothwendig, und<lb/>
nach einer Regel in der Zeit be&#x017F;timt i&#x017F;t, mithin das Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß der Ur&#x017F;ache zur Wirkung die Bedingung der obiecti-<lb/>
ven Gu&#x0364;ltigkeit un&#x017F;erer empiri&#x017F;chen Urtheile, in An&#x017F;ehung<lb/>
der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empiri&#x017F;chen<lb/>
Wahrheit der&#x017F;elben, und al&#x017F;o der Erfahrung. Der Grund-<lb/>
&#x017F;atz des Cau&#x017F;&#x017F;alverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es in der Folge der Er&#x017F;cheinun-<lb/>
gen gilt daher auch vor allen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden der Erfahrung,<lb/>
(unter den Bedingungen der Succeßion) weil er &#x017F;elb&#x017F;t der<lb/>
Grund der Mo&#x0364;glichkeit einer &#x017F;olchen Erfahrung i&#x017F;t.</p><lb/>
                        <p>Hier a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;ich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben<lb/>
werden muß. Der Satz der Cau&#x017F;&#x017F;alverknu&#x0364;pfung unter den<lb/>
Er&#x017F;cheinungen i&#x017F;t in un&#x017F;rer Formel auf die Reihenfolge der&#x017F;el-<lb/>
ben einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, da es &#x017F;ich doch bey dem Gebrauch de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
findet, daß er auch auf ihre Begleitung pa&#x017F;&#x017F;e, und Ur&#x017F;ache<lb/>
und Wirkung zugleich &#x017F;eyn ko&#x0364;nne. Es i&#x017F;t z. B. Wa&#x0364;rme im<lb/>
Zimmer, die nicht in freyer Luft angetroffen wird.<lb/>
Ich &#x017F;ehe mich nach der Ur&#x017F;ache um, und finde einen ge-<lb/>
heizten Ofen. Nun i&#x017F;t die&#x017F;er, als Ur&#x017F;ache, mit &#x017F;einer<lb/>
Wirkung, der Stubenwa&#x0364;rme, zugleich; al&#x017F;o i&#x017F;t hier keine<lb/>
Reihenfolge, der Zeit nach, zwi&#x017F;chen Ur&#x017F;ache und Wirkung,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ind zugleich, und das Ge&#x017F;etz gilt doch. Der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gro&#x0364;ßte</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0232] Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt. muͤſſen, und ſtellete ich mir darunter doch etwas obiectives vor, ſie einen bloſſen Traum nennen. Alſo iſt das Ver- haͤltniß der Erſcheinungen, (als moͤglicher Wahrnehmun- gen) nach welchem das Nachfolgende (was geſchieht) durch etwas vorhergehendes ſeinem Daſeyn nach nothwendig, und nach einer Regel in der Zeit beſtimt iſt, mithin das Ver- haͤltniß der Urſache zur Wirkung die Bedingung der obiecti- ven Guͤltigkeit unſerer empiriſchen Urtheile, in Anſehung der Reihe der Wahrnehmungen, mithin der empiriſchen Wahrheit derſelben, und alſo der Erfahrung. Der Grund- ſatz des Cauſſalverhaͤltniſſes in der Folge der Erſcheinun- gen gilt daher auch vor allen Gegenſtaͤnden der Erfahrung, (unter den Bedingungen der Succeßion) weil er ſelbſt der Grund der Moͤglichkeit einer ſolchen Erfahrung iſt. Hier aͤuſſert ſich aber noch eine Bedenklichkeit, die gehoben werden muß. Der Satz der Cauſſalverknuͤpfung unter den Erſcheinungen iſt in unſrer Formel auf die Reihenfolge derſel- ben eingeſchraͤnkt, da es ſich doch bey dem Gebrauch deſſelben findet, daß er auch auf ihre Begleitung paſſe, und Urſache und Wirkung zugleich ſeyn koͤnne. Es iſt z. B. Waͤrme im Zimmer, die nicht in freyer Luft angetroffen wird. Ich ſehe mich nach der Urſache um, und finde einen ge- heizten Ofen. Nun iſt dieſer, als Urſache, mit ſeiner Wirkung, der Stubenwaͤrme, zugleich; alſo iſt hier keine Reihenfolge, der Zeit nach, zwiſchen Urſache und Wirkung, ſondern ſie ſind zugleich, und das Geſetz gilt doch. Der groͤßte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/232
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/232>, abgerufen am 24.11.2024.