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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch.
unlustigsten Lehrlinge solcher transscendentalen Nachfor-
schung begreiflich, und zugleich angelegen gemacht werden
kan, nemlich dieser: daß der blos mit seinem empirischen
Gebrauche beschäftigte Verstand, der über die Quellen sei-
ner eigenen Erkentniß nicht nachsinnt, zwar sehr gut fort-
kommen, eines aber gar nicht leisten könne, nemlich, sich
selbst die Gränzen seines Gebrauchs zu bestimmen, und zu
wissen, was innerhalb oder ausserhalb seiner ganzen Sphä-
re liegen mag; denn dazu werden eben die tiefen Untersu-
chungen erfordert, die wir angestellt haben. Kan er aber
nicht unterscheiden, ob gewisse Fragen in seinem Horizonte
liegen, oder nicht, so ist er niemals seiner Ansprüche und
seines Besitzes sicher, sondern darf sich nur auf vielfältige
beschämende Zurechtweisungen Rechnung machen, wenn
er die Gränzen seines Gebiets (wie es unvermeidlich ist)
unaufhörlich überschreitet, und sich in Wahn und Blend-
werke verirrt.

Daß also der Verstand von allen seinen Grundsätzen
a priori, ia von allen seinen Begriffen keinen andern als
empirischen, niemals aber einen transscendentalen Ge-
brauch machen könne, ist ein Satz, der, wenn er mit
Ueberzeugung erkant werden kan, in wichtige Folgen hin-
aussieht. Der transscendentale Gebrauch eines Begriffs
in irgend einem Grundsatze ist dieser: daß er auf Dinge
überhaupt und an sich selbst, der empirische aber, wenn
er blos auf Erscheinungen, d. i. Gegenstände einer mög-

lichen

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch.
unluſtigſten Lehrlinge ſolcher transſcendentalen Nachfor-
ſchung begreiflich, und zugleich angelegen gemacht werden
kan, nemlich dieſer: daß der blos mit ſeinem empiriſchen
Gebrauche beſchaͤftigte Verſtand, der uͤber die Quellen ſei-
ner eigenen Erkentniß nicht nachſinnt, zwar ſehr gut fort-
kommen, eines aber gar nicht leiſten koͤnne, nemlich, ſich
ſelbſt die Graͤnzen ſeines Gebrauchs zu beſtimmen, und zu
wiſſen, was innerhalb oder auſſerhalb ſeiner ganzen Sphaͤ-
re liegen mag; denn dazu werden eben die tiefen Unterſu-
chungen erfordert, die wir angeſtellt haben. Kan er aber
nicht unterſcheiden, ob gewiſſe Fragen in ſeinem Horizonte
liegen, oder nicht, ſo iſt er niemals ſeiner Anſpruͤche und
ſeines Beſitzes ſicher, ſondern darf ſich nur auf vielfaͤltige
beſchaͤmende Zurechtweiſungen Rechnung machen, wenn
er die Graͤnzen ſeines Gebiets (wie es unvermeidlich iſt)
unaufhoͤrlich uͤberſchreitet, und ſich in Wahn und Blend-
werke verirrt.

Daß alſo der Verſtand von allen ſeinen Grundſaͤtzen
a priori, ia von allen ſeinen Begriffen keinen andern als
empiriſchen, niemals aber einen transſcendentalen Ge-
brauch machen koͤnne, iſt ein Satz, der, wenn er mit
Ueberzeugung erkant werden kan, in wichtige Folgen hin-
ausſieht. Der transſcendentale Gebrauch eines Begriffs
in irgend einem Grundſatze iſt dieſer: daß er auf Dinge
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[238/0268] Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. unluſtigſten Lehrlinge ſolcher transſcendentalen Nachfor- ſchung begreiflich, und zugleich angelegen gemacht werden kan, nemlich dieſer: daß der blos mit ſeinem empiriſchen Gebrauche beſchaͤftigte Verſtand, der uͤber die Quellen ſei- ner eigenen Erkentniß nicht nachſinnt, zwar ſehr gut fort- kommen, eines aber gar nicht leiſten koͤnne, nemlich, ſich ſelbſt die Graͤnzen ſeines Gebrauchs zu beſtimmen, und zu wiſſen, was innerhalb oder auſſerhalb ſeiner ganzen Sphaͤ- re liegen mag; denn dazu werden eben die tiefen Unterſu- chungen erfordert, die wir angeſtellt haben. Kan er aber nicht unterſcheiden, ob gewiſſe Fragen in ſeinem Horizonte liegen, oder nicht, ſo iſt er niemals ſeiner Anſpruͤche und ſeines Beſitzes ſicher, ſondern darf ſich nur auf vielfaͤltige beſchaͤmende Zurechtweiſungen Rechnung machen, wenn er die Graͤnzen ſeines Gebiets (wie es unvermeidlich iſt) unaufhoͤrlich uͤberſchreitet, und ſich in Wahn und Blend- werke verirrt. Daß alſo der Verſtand von allen ſeinen Grundſaͤtzen a priori, ia von allen ſeinen Begriffen keinen andern als empiriſchen, niemals aber einen transſcendentalen Ge- brauch machen koͤnne, iſt ein Satz, der, wenn er mit Ueberzeugung erkant werden kan, in wichtige Folgen hin- ausſieht. Der transſcendentale Gebrauch eines Begriffs in irgend einem Grundſatze iſt dieſer: daß er auf Dinge uͤberhaupt und an ſich ſelbſt, der empiriſche aber, wenn er blos auf Erſcheinungen, d. i. Gegenſtaͤnde einer moͤg- lichen

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/268>, abgerufen am 22.11.2024.