Vorstellung). Da aber die sinnliche Anschauung eine ganz besondere subiective Bedingung ist, welche aller Wahrneh- mung a priori zum Grunde liegt, und deren Form ur- sprünglich ist; so ist die Form vor sich allein gegeben, und weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge selbst, wel- che erschienen) zum Grunde liegen sollten (wie man nach blossen Begriffen urtheilen müßte) so sezt die Möglichkeit derselben vielmehr eine formale Anschauung (Zeit und Raum) als gegeben voraus.
Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver- stande ertheilen, den transscendentalen Ort zu nennen. Auf solche Weise wäre die Beurtheilung dieser Stelle, die iedem Begriffe nach Verschiedenheit seines Gebrauchs zu- kömt, und die Anweisung nach Regeln, diesen Ort allen Begriffen zu bestimmen, die transscendentale Topik; eine Lehre, die vor Erschleichungen des reinen Verstandes und daraus entspringenden Blendwerken gründlich bewahren würde, indem sie iederzeit unterschiede, welcher Erkent- nißkraft die Begriffe eigentlich angehören. Man kan einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er- kentnisse gehören, einen logischen Ort nennen. Hierauf gründet sich die logische Topik des Aristoteles, deren sich Schullehrer und Redner bedienen konten, um unter ge-
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Vorſtellung). Da aber die ſinnliche Anſchauung eine ganz beſondere ſubiective Bedingung iſt, welche aller Wahrneh- mung a priori zum Grunde liegt, und deren Form ur- ſpruͤnglich iſt; ſo iſt die Form vor ſich allein gegeben, und weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge ſelbſt, wel- che erſchienen) zum Grunde liegen ſollten (wie man nach bloſſen Begriffen urtheilen muͤßte) ſo ſezt die Moͤglichkeit derſelben vielmehr eine formale Anſchauung (Zeit und Raum) als gegeben voraus.
Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver- ſtande ertheilen, den transſcendentalen Ort zu nennen. Auf ſolche Weiſe waͤre die Beurtheilung dieſer Stelle, die iedem Begriffe nach Verſchiedenheit ſeines Gebrauchs zu- koͤmt, und die Anweiſung nach Regeln, dieſen Ort allen Begriffen zu beſtimmen, die transſcendentale Topik; eine Lehre, die vor Erſchleichungen des reinen Verſtandes und daraus entſpringenden Blendwerken gruͤndlich bewahren wuͤrde, indem ſie iederzeit unterſchiede, welcher Erkent- nißkraft die Begriffe eigentlich angehoͤren. Man kan einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er- kentniſſe gehoͤren, einen logiſchen Ort nennen. Hierauf gruͤndet ſich die logiſche Topik des Ariſtoteles, deren ſich Schullehrer und Redner bedienen konten, um unter ge-
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Vorſtellung). Da aber die ſinnliche Anſchauung eine ganz
beſondere ſubiective Bedingung iſt, welche aller Wahrneh-
mung a priori zum Grunde liegt, und deren Form ur-
ſpruͤnglich iſt; ſo iſt die Form vor ſich allein gegeben, und
weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge ſelbſt, wel-
che erſchienen) zum Grunde liegen ſollten (wie man nach
bloſſen Begriffen urtheilen muͤßte) ſo ſezt die Moͤglichkeit
derſelben vielmehr eine formale Anſchauung (Zeit und
Raum) als gegeben voraus.
Anmerkung
zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem
Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver-
ſtande ertheilen, den transſcendentalen Ort zu nennen.
Auf ſolche Weiſe waͤre die Beurtheilung dieſer Stelle, die
iedem Begriffe nach Verſchiedenheit ſeines Gebrauchs zu-
koͤmt, und die Anweiſung nach Regeln, dieſen Ort allen
Begriffen zu beſtimmen, die transſcendentale Topik; eine
Lehre, die vor Erſchleichungen des reinen Verſtandes und
daraus entſpringenden Blendwerken gruͤndlich bewahren
wuͤrde, indem ſie iederzeit unterſchiede, welcher Erkent-
nißkraft die Begriffe eigentlich angehoͤren. Man kan
einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/298>, abgerufen am 22.11.2024.
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