Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Vorstellung). Da aber die sinnliche Anschauung eine ganz
besondere subiective Bedingung ist, welche aller Wahrneh-
mung a priori zum Grunde liegt, und deren Form ur-
sprünglich ist; so ist die Form vor sich allein gegeben, und
weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge selbst, wel-
che erschienen) zum Grunde liegen sollten (wie man nach
blossen Begriffen urtheilen müßte) so sezt die Möglichkeit
derselben vielmehr eine formale Anschauung (Zeit und
Raum) als gegeben voraus.

Anmerkung
zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe.

Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem
Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver-
stande ertheilen, den transscendentalen Ort zu nennen.
Auf solche Weise wäre die Beurtheilung dieser Stelle, die
iedem Begriffe nach Verschiedenheit seines Gebrauchs zu-
kömt, und die Anweisung nach Regeln, diesen Ort allen
Begriffen zu bestimmen, die transscendentale Topik; eine
Lehre, die vor Erschleichungen des reinen Verstandes und
daraus entspringenden Blendwerken gründlich bewahren
würde, indem sie iederzeit unterschiede, welcher Erkent-
nißkraft die Begriffe eigentlich angehören. Man kan
einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er-
kentnisse gehören, einen logischen Ort nennen. Hierauf
gründet sich die logische Topik des Aristoteles, deren sich
Schullehrer und Redner bedienen konten, um unter ge-

wis-

Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang.
Vorſtellung). Da aber die ſinnliche Anſchauung eine ganz
beſondere ſubiective Bedingung iſt, welche aller Wahrneh-
mung a priori zum Grunde liegt, und deren Form ur-
ſpruͤnglich iſt; ſo iſt die Form vor ſich allein gegeben, und
weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge ſelbſt, wel-
che erſchienen) zum Grunde liegen ſollten (wie man nach
bloſſen Begriffen urtheilen muͤßte) ſo ſezt die Moͤglichkeit
derſelben vielmehr eine formale Anſchauung (Zeit und
Raum) als gegeben voraus.

Anmerkung
zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe.

Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem
Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver-
ſtande ertheilen, den transſcendentalen Ort zu nennen.
Auf ſolche Weiſe waͤre die Beurtheilung dieſer Stelle, die
iedem Begriffe nach Verſchiedenheit ſeines Gebrauchs zu-
koͤmt, und die Anweiſung nach Regeln, dieſen Ort allen
Begriffen zu beſtimmen, die transſcendentale Topik; eine
Lehre, die vor Erſchleichungen des reinen Verſtandes und
daraus entſpringenden Blendwerken gruͤndlich bewahren
wuͤrde, indem ſie iederzeit unterſchiede, welcher Erkent-
nißkraft die Begriffe eigentlich angehoͤren. Man kan
einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er-
kentniſſe gehoͤren, einen logiſchen Ort nennen. Hierauf
gruͤndet ſich die logiſche Topik des Ariſtoteles, deren ſich
Schullehrer und Redner bedienen konten, um unter ge-

wiſ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0298" n="268"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Buch. Anhang.</fw><lb/>
Vor&#x017F;tellung). Da aber die &#x017F;innliche An&#x017F;chauung eine ganz<lb/>
be&#x017F;ondere &#x017F;ubiective Bedingung i&#x017F;t, welche aller Wahrneh-<lb/>
mung <hi rendition="#aq">a priori</hi> zum Grunde liegt, und deren Form ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;nglich i&#x017F;t; &#x017F;o i&#x017F;t die Form vor &#x017F;ich allein gegeben, und<lb/>
weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge &#x017F;elb&#x017F;t, wel-<lb/>
che er&#x017F;chienen) zum Grunde liegen &#x017F;ollten (wie man nach<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;en Begriffen urtheilen mu&#x0364;ßte) &#x017F;o &#x017F;ezt die Mo&#x0364;glichkeit<lb/>
der&#x017F;elben vielmehr eine formale An&#x017F;chauung (Zeit und<lb/>
Raum) als gegeben voraus.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Anmerkung</hi><lb/>
zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe.</hi> </head><lb/>
                <p>Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem<lb/>
Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver-<lb/>
&#x017F;tande ertheilen, den trans&#x017F;cendentalen Ort zu nennen.<lb/>
Auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e wa&#x0364;re die Beurtheilung die&#x017F;er Stelle, die<lb/>
iedem Begriffe nach Ver&#x017F;chiedenheit &#x017F;eines Gebrauchs zu-<lb/>
ko&#x0364;mt, und die Anwei&#x017F;ung nach Regeln, die&#x017F;en Ort allen<lb/>
Begriffen zu be&#x017F;timmen, die trans&#x017F;cendentale Topik; eine<lb/>
Lehre, die vor Er&#x017F;chleichungen des reinen Ver&#x017F;tandes und<lb/>
daraus ent&#x017F;pringenden Blendwerken gru&#x0364;ndlich bewahren<lb/>
wu&#x0364;rde, indem &#x017F;ie iederzeit unter&#x017F;chiede, welcher Erkent-<lb/>
nißkraft die Begriffe eigentlich angeho&#x0364;ren. Man kan<lb/>
einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er-<lb/>
kentni&#x017F;&#x017F;e geho&#x0364;ren, einen logi&#x017F;chen Ort nennen. Hierauf<lb/>
gru&#x0364;ndet &#x017F;ich die logi&#x017F;che Topik des Ari&#x017F;toteles, deren &#x017F;ich<lb/>
Schullehrer und Redner bedienen konten, um unter ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wi&#x017F;-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0298] Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. Anhang. Vorſtellung). Da aber die ſinnliche Anſchauung eine ganz beſondere ſubiective Bedingung iſt, welche aller Wahrneh- mung a priori zum Grunde liegt, und deren Form ur- ſpruͤnglich iſt; ſo iſt die Form vor ſich allein gegeben, und weit gefehlt, daß die Materie (oder die Dinge ſelbſt, wel- che erſchienen) zum Grunde liegen ſollten (wie man nach bloſſen Begriffen urtheilen muͤßte) ſo ſezt die Moͤglichkeit derſelben vielmehr eine formale Anſchauung (Zeit und Raum) als gegeben voraus. Anmerkung zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe. Man erlaube mir, die Stelle, welche wir einem Begriffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Ver- ſtande ertheilen, den transſcendentalen Ort zu nennen. Auf ſolche Weiſe waͤre die Beurtheilung dieſer Stelle, die iedem Begriffe nach Verſchiedenheit ſeines Gebrauchs zu- koͤmt, und die Anweiſung nach Regeln, dieſen Ort allen Begriffen zu beſtimmen, die transſcendentale Topik; eine Lehre, die vor Erſchleichungen des reinen Verſtandes und daraus entſpringenden Blendwerken gruͤndlich bewahren wuͤrde, indem ſie iederzeit unterſchiede, welcher Erkent- nißkraft die Begriffe eigentlich angehoͤren. Man kan einen ieden Begriff, einen ieden Titel, darunter viele Er- kentniſſe gehoͤren, einen logiſchen Ort nennen. Hierauf gruͤndet ſich die logiſche Topik des Ariſtoteles, deren ſich Schullehrer und Redner bedienen konten, um unter ge- wiſ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/298
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/298>, abgerufen am 22.11.2024.