Der Transscendentalen Dialectik Erstes Buch. Von den Begriffen der reinen Vernunft.
Was es auch mit der Möglichkeit der Begriffe aus rei- ner Vernunft vor eine Bewandniß haben mag: so sind sie doch nicht blos reflectirte, sondern geschlossene Be- griffe. Verstandesbegriffe werden auch a priori vor der Erfahrung und zum Behuf derselben gedacht, aber sie enthalten nichts weiter, als die Einheit der Reflexion über die Erscheinungen, in so fern sie nothwendig zu einem möglichen empirischen Bewußtseyn gehören sollen. Durch sie allein wird Erkentniß und Bestimmung eines Gegen- standes möglich. Sie geben also zuerst Stoff zum Schlies- sen und vor ihnen gehen keine Begriffe a priori von Ge- genständen vorher, aus denen sie könten geschlossen wer- den. Dagegen gründet sich ihre obiective Realität doch lediglich darauf: daß, weil sie die intellectuelle Form aller Erfahrung ausmachen, ihre Anwendung iederzeit in der Erfahrung muß gezeigt werden können.
Die Benennung eines Vernunftbegriffs aber zeigt schon vorläufig: daß er sich nicht innerhalb der Erfahrung wolle beschränken lassen, weil er eine Erkentniß betrift, von der iede empirische nur ein Theil ist, (vielleicht das Ganze
der
Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch.
Der Transſcendentalen Dialectik Erſtes Buch. Von den Begriffen der reinen Vernunft.
Was es auch mit der Moͤglichkeit der Begriffe aus rei- ner Vernunft vor eine Bewandniß haben mag: ſo ſind ſie doch nicht blos reflectirte, ſondern geſchloſſene Be- griffe. Verſtandesbegriffe werden auch a priori vor der Erfahrung und zum Behuf derſelben gedacht, aber ſie enthalten nichts weiter, als die Einheit der Reflexion uͤber die Erſcheinungen, in ſo fern ſie nothwendig zu einem moͤglichen empiriſchen Bewußtſeyn gehoͤren ſollen. Durch ſie allein wird Erkentniß und Beſtimmung eines Gegen- ſtandes moͤglich. Sie geben alſo zuerſt Stoff zum Schlieſ- ſen und vor ihnen gehen keine Begriffe a priori von Ge- genſtaͤnden vorher, aus denen ſie koͤnten geſchloſſen wer- den. Dagegen gruͤndet ſich ihre obiective Realitaͤt doch lediglich darauf: daß, weil ſie die intellectuelle Form aller Erfahrung ausmachen, ihre Anwendung iederzeit in der Erfahrung muß gezeigt werden koͤnnen.
Die Benennung eines Vernunftbegriffs aber zeigt ſchon vorlaͤufig: daß er ſich nicht innerhalb der Erfahrung wolle beſchraͤnken laſſen, weil er eine Erkentniß betrift, von der iede empiriſche nur ein Theil iſt, (vielleicht das Ganze
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Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch.
Der
Transſcendentalen Dialectik
Erſtes Buch.
Von den
Begriffen der reinen Vernunft.
Was es auch mit der Moͤglichkeit der Begriffe aus rei-
ner Vernunft vor eine Bewandniß haben mag: ſo
ſind ſie doch nicht blos reflectirte, ſondern geſchloſſene Be-
griffe. Verſtandesbegriffe werden auch a priori vor der
Erfahrung und zum Behuf derſelben gedacht, aber ſie
enthalten nichts weiter, als die Einheit der Reflexion uͤber
die Erſcheinungen, in ſo fern ſie nothwendig zu einem
moͤglichen empiriſchen Bewußtſeyn gehoͤren ſollen. Durch
ſie allein wird Erkentniß und Beſtimmung eines Gegen-
ſtandes moͤglich. Sie geben alſo zuerſt Stoff zum Schlieſ-
ſen und vor ihnen gehen keine Begriffe a priori von Ge-
genſtaͤnden vorher, aus denen ſie koͤnten geſchloſſen wer-
den. Dagegen gruͤndet ſich ihre obiective Realitaͤt doch
lediglich darauf: daß, weil ſie die intellectuelle Form aller
Erfahrung ausmachen, ihre Anwendung iederzeit in der
Erfahrung muß gezeigt werden koͤnnen.
Die Benennung eines Vernunftbegriffs aber zeigt
ſchon vorlaͤufig: daß er ſich nicht innerhalb der Erfahrung
wolle beſchraͤnken laſſen, weil er eine Erkentniß betrift,
von der iede empiriſche nur ein Theil iſt, (vielleicht das Ganze
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/340>, abgerufen am 22.11.2024.
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