priori in dem ganzen Umfange seiner Bedingung bestimt wird. Den Satz: Caius ist sterblich, könte ich auch blos durch den Verstand, aus der Erfahrung schöpfen. Allein ich suche einen Begriff, der die Bedingung enthält, un- ter welcher das Prädicat (Assertion überhaupt) dieses Ur- theils gegeben wird, (d. i. hier den Begriff des Menschen) und nachdem ich unter diese Bedingung, in ihrem ganzen Umfange genommen, (alle Menschen sind sterblich) sub- sumirt habe: so bestimme ich darnach. die Erkentniß mei- nes Gegenstandes (Caius ist sterblich).
Demnach restringiren wir in der Conclusion eines Vernunftschlusses ein Prädicat auf einen gewissen Gegen- stand, nachdem wir es vorher in dem Obersatz in seinem ganzen Umfange unter einer gewissen Bedingung gedacht haben, diese vollendete Grösse des Umfanges, in Beziehung auf eine solche Bedingung, heißt die Allgemeinheit (Vni- versalitas). Dieser entspricht in der Synthesis der An- schauungen die Allheit (Vniversitas) oder Totalität der Bedingungen. Also ist der transscendentale Vernunftbe- griff kein anderer, als der von der Totalität der Bedin- gungen zu einem gegebenen bedingten. Da nun das Un- bedingte allein die Totalität der Bedingungen möglich macht und umgekehrt die Totalität der Bedingungen ieder- zeit selbst unbedingt ist: so kan ein reiner Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, so fern er einen Grund der Synthesis des Bedingten enthält, er- klärt werden.
So
Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch.
priori in dem ganzen Umfange ſeiner Bedingung beſtimt wird. Den Satz: Caius iſt ſterblich, koͤnte ich auch blos durch den Verſtand, aus der Erfahrung ſchoͤpfen. Allein ich ſuche einen Begriff, der die Bedingung enthaͤlt, un- ter welcher das Praͤdicat (Aſſertion uͤberhaupt) dieſes Ur- theils gegeben wird, (d. i. hier den Begriff des Menſchen) und nachdem ich unter dieſe Bedingung, in ihrem ganzen Umfange genommen, (alle Menſchen ſind ſterblich) ſub- ſumirt habe: ſo beſtimme ich darnach. die Erkentniß mei- nes Gegenſtandes (Caius iſt ſterblich).
Demnach reſtringiren wir in der Concluſion eines Vernunftſchluſſes ein Praͤdicat auf einen gewiſſen Gegen- ſtand, nachdem wir es vorher in dem Oberſatz in ſeinem ganzen Umfange unter einer gewiſſen Bedingung gedacht haben, dieſe vollendete Groͤſſe des Umfanges, in Beziehung auf eine ſolche Bedingung, heißt die Allgemeinheit (Vni- verſalitas). Dieſer entſpricht in der Syntheſis der An- ſchauungen die Allheit (Vniverſitas) oder Totalitaͤt der Bedingungen. Alſo iſt der transſcendentale Vernunftbe- griff kein anderer, als der von der Totalitaͤt der Bedin- gungen zu einem gegebenen bedingten. Da nun das Un- bedingte allein die Totalitaͤt der Bedingungen moͤglich macht und umgekehrt die Totalitaͤt der Bedingungen ieder- zeit ſelbſt unbedingt iſt: ſo kan ein reiner Vernunftbegriff uͤberhaupt durch den Begriff des Unbedingten, ſo fern er einen Grund der Syntheſis des Bedingten enthaͤlt, er- klaͤrt werden.
So
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Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch.
priori in dem ganzen Umfange ſeiner Bedingung beſtimt
wird. Den Satz: Caius iſt ſterblich, koͤnte ich auch blos
durch den Verſtand, aus der Erfahrung ſchoͤpfen. Allein
ich ſuche einen Begriff, der die Bedingung enthaͤlt, un-
ter welcher das Praͤdicat (Aſſertion uͤberhaupt) dieſes Ur-
theils gegeben wird, (d. i. hier den Begriff des Menſchen)
und nachdem ich unter dieſe Bedingung, in ihrem ganzen
Umfange genommen, (alle Menſchen ſind ſterblich) ſub-
ſumirt habe: ſo beſtimme ich darnach. die Erkentniß mei-
nes Gegenſtandes (Caius iſt ſterblich).
Demnach reſtringiren wir in der Concluſion eines
Vernunftſchluſſes ein Praͤdicat auf einen gewiſſen Gegen-
ſtand, nachdem wir es vorher in dem Oberſatz in ſeinem
ganzen Umfange unter einer gewiſſen Bedingung gedacht
haben, dieſe vollendete Groͤſſe des Umfanges, in Beziehung
auf eine ſolche Bedingung, heißt die Allgemeinheit (Vni-
verſalitas). Dieſer entſpricht in der Syntheſis der An-
ſchauungen die Allheit (Vniverſitas) oder Totalitaͤt der
Bedingungen. Alſo iſt der transſcendentale Vernunftbe-
griff kein anderer, als der von der Totalitaͤt der Bedin-
gungen zu einem gegebenen bedingten. Da nun das Un-
bedingte allein die Totalitaͤt der Bedingungen moͤglich
macht und umgekehrt die Totalitaͤt der Bedingungen ieder-
zeit ſelbſt unbedingt iſt: ſo kan ein reiner Vernunftbegriff
uͤberhaupt durch den Begriff des Unbedingten, ſo fern er
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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