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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
a parte priori ohne Gränzen (ohne Anfang), d. i. unend-
lich, und gleichwol ganz gegeben, der Regressus in ihr
aber ist niemals vollendet, und kan nur potentialiter un-
endlich genant werden. Im zweiten Falle giebt es ein
Erstes der Reihe, welches in Ansehung der verflossenen
Zeit der Weltanfang, in Ansehung des Raums die Welt-
gränze, in Ansehung der Theile, eines in seinen Gränzen
gegebenen Ganzen, das Einfache, in Ansehung der Ursa-
chen die absolute Selbstthätigkeit (Freiheit), in Anse-
hung des Daseyns veränderlicher Dinge die absolute Na-
turnothwendigkeit heißt.

Wir haben zwey Ausdrücke: Welt und Natur,
welche bisweilen in einander laufen. Das erste bedeutet
das mathematische Ganze aller Erscheinungen und die To-
talität ihrer Synthesis, im Grossen, sowol als im kleinen,
d. i. sowol in dem Fortschritt derselben durch Zusammen-
setzung, als durch Theilung. Eben dieselbe Welt wird
aber Natur*) genant, so fern sie als ein dynamisches

Ganze
einem gegebenen Bedingten ist iederzeit unbedingt; weil
ausser ihr keine Bedingungen mehr sind, in Ansehung
deren es bedingt seyn könte. Allein dieses absolute Gan-
ze einer solchen Reihe ist nur eine Idee, oder vielmehr ein
problematischer Begriff, dessen Möglichkeit untersucht
werde muß, und zwar in Beziehung auf die Art, wie
das Unbedingte, als die eigentliche transscendentale Idee,
worauf es ankomt, darin enthalten seyn mag.
*) Natur, adiectiue (formaliter) genommen, bedeutet den
Zusammenhang der Bestimmungen eines Dinges, nach
einem

Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
a parte priori ohne Graͤnzen (ohne Anfang), d. i. unend-
lich, und gleichwol ganz gegeben, der Regreſſus in ihr
aber iſt niemals vollendet, und kan nur potentialiter un-
endlich genant werden. Im zweiten Falle giebt es ein
Erſtes der Reihe, welches in Anſehung der verfloſſenen
Zeit der Weltanfang, in Anſehung des Raums die Welt-
graͤnze, in Anſehung der Theile, eines in ſeinen Graͤnzen
gegebenen Ganzen, das Einfache, in Anſehung der Urſa-
chen die abſolute Selbſtthaͤtigkeit (Freiheit), in Anſe-
hung des Daſeyns veraͤnderlicher Dinge die abſolute Na-
turnothwendigkeit heißt.

Wir haben zwey Ausdruͤcke: Welt und Natur,
welche bisweilen in einander laufen. Das erſte bedeutet
das mathematiſche Ganze aller Erſcheinungen und die To-
talitaͤt ihrer Syntheſis, im Groſſen, ſowol als im kleinen,
d. i. ſowol in dem Fortſchritt derſelben durch Zuſammen-
ſetzung, als durch Theilung. Eben dieſelbe Welt wird
aber Natur*) genant, ſo fern ſie als ein dynamiſches

Ganze
einem gegebenen Bedingten iſt iederzeit unbedingt; weil
auſſer ihr keine Bedingungen mehr ſind, in Anſehung
deren es bedingt ſeyn koͤnte. Allein dieſes abſolute Gan-
ze einer ſolchen Reihe iſt nur eine Idee, oder vielmehr ein
problematiſcher Begriff, deſſen Moͤglichkeit unterſucht
werde muß, und zwar in Beziehung auf die Art, wie
das Unbedingte, als die eigentliche transſcendentale Idee,
worauf es ankomt, darin enthalten ſeyn mag.
*) Natur, adiectiue (formaliter) genommen, bedeutet den
Zuſammenhang der Beſtimmungen eines Dinges, nach
einem
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[418/0448] Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptſt. a parte priori ohne Graͤnzen (ohne Anfang), d. i. unend- lich, und gleichwol ganz gegeben, der Regreſſus in ihr aber iſt niemals vollendet, und kan nur potentialiter un- endlich genant werden. Im zweiten Falle giebt es ein Erſtes der Reihe, welches in Anſehung der verfloſſenen Zeit der Weltanfang, in Anſehung des Raums die Welt- graͤnze, in Anſehung der Theile, eines in ſeinen Graͤnzen gegebenen Ganzen, das Einfache, in Anſehung der Urſa- chen die abſolute Selbſtthaͤtigkeit (Freiheit), in Anſe- hung des Daſeyns veraͤnderlicher Dinge die abſolute Na- turnothwendigkeit heißt. Wir haben zwey Ausdruͤcke: Welt und Natur, welche bisweilen in einander laufen. Das erſte bedeutet das mathematiſche Ganze aller Erſcheinungen und die To- talitaͤt ihrer Syntheſis, im Groſſen, ſowol als im kleinen, d. i. ſowol in dem Fortſchritt derſelben durch Zuſammen- ſetzung, als durch Theilung. Eben dieſelbe Welt wird aber Natur *) genant, ſo fern ſie als ein dynamiſches Ganze *) *) Natur, adiectiue (formaliter) genommen, bedeutet den Zuſammenhang der Beſtimmungen eines Dinges, nach einem *) einem gegebenen Bedingten iſt iederzeit unbedingt; weil auſſer ihr keine Bedingungen mehr ſind, in Anſehung deren es bedingt ſeyn koͤnte. Allein dieſes abſolute Gan- ze einer ſolchen Reihe iſt nur eine Idee, oder vielmehr ein problematiſcher Begriff, deſſen Moͤglichkeit unterſucht werde muß, und zwar in Beziehung auf die Art, wie das Unbedingte, als die eigentliche transſcendentale Idee, worauf es ankomt, darin enthalten ſeyn mag.

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/448>, abgerufen am 22.11.2024.