Wenn man, beim Aufsteigen in der Reihe der Er- scheinungen, wider das Daseyn einer schlechthin noth- wendigen obersten Ursache, Schwierigkeiten anzutreffen vermeint, so müssen sich diese auch nicht auf blosse Begriffe vom nothwendigen Daseyn eines Dinges überhaupt grün- den und mithin nicht ontologisch seyn, sondern sich aus der Caussalverbindung mit einer Reihe von Erscheinungen, um zu derselben eine Bedingung anzunehmen, die selbst unbedingt ist, hervor finden, folglich cosmologisch und nach empirischen Gesetzen gefolgert seyn. Es muß sich nemlich zeigen, daß das Aufsteigen in der Reihe der Ursa- chen (in der Sinnenwelt) niemals bey einer empirischun- bedingten Bedingung endigen könne, und daß das cosmo- logische Argument aus der Zufälligkeit der Weltzustände, laut ihren Veränderungen, wider die Annehmung einer ersten, und die Reihe schlechthin zuerst anhebenden Ursa- che ausfalle.
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II. Anmerkung zur Antitheſis.
Wenn man, beim Aufſteigen in der Reihe der Er- ſcheinungen, wider das Daſeyn einer ſchlechthin noth- wendigen oberſten Urſache, Schwierigkeiten anzutreffen vermeint, ſo muͤſſen ſich dieſe auch nicht auf bloſſe Begriffe vom nothwendigen Daſeyn eines Dinges uͤberhaupt gruͤn- den und mithin nicht ontologiſch ſeyn, ſondern ſich aus der Cauſſalverbindung mit einer Reihe von Erſcheinungen, um zu derſelben eine Bedingung anzunehmen, die ſelbſt unbedingt iſt, hervor finden, folglich cosmologiſch und nach empiriſchen Geſetzen gefolgert ſeyn. Es muß ſich nemlich zeigen, daß das Aufſteigen in der Reihe der Urſa- chen (in der Sinnenwelt) niemals bey einer empiriſchun- bedingten Bedingung endigen koͤnne, und daß das cosmo- logiſche Argument aus der Zufaͤlligkeit der Weltzuſtaͤnde, laut ihren Veraͤnderungen, wider die Annehmung einer erſten, und die Reihe ſchlechthin zuerſt anhebenden Urſa- che ausfalle.
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[[457]/0487]
II. Anmerkung
zur Antitheſis.
Wenn man, beim Aufſteigen in der Reihe der Er-
ſcheinungen, wider das Daſeyn einer ſchlechthin noth-
wendigen oberſten Urſache, Schwierigkeiten anzutreffen
vermeint, ſo muͤſſen ſich dieſe auch nicht auf bloſſe Begriffe
vom nothwendigen Daſeyn eines Dinges uͤberhaupt gruͤn-
den und mithin nicht ontologiſch ſeyn, ſondern ſich aus
der Cauſſalverbindung mit einer Reihe von Erſcheinungen,
um zu derſelben eine Bedingung anzunehmen, die ſelbſt
unbedingt iſt, hervor finden, folglich cosmologiſch und
nach empiriſchen Geſetzen gefolgert ſeyn. Es muß ſich
nemlich zeigen, daß das Aufſteigen in der Reihe der Urſa-
chen (in der Sinnenwelt) niemals bey einer empiriſchun-
bedingten Bedingung endigen koͤnne, und daß das cosmo-
logiſche Argument aus der Zufaͤlligkeit der Weltzuſtaͤnde,
laut ihren Veraͤnderungen, wider die Annehmung einer
erſten, und die Reihe ſchlechthin zuerſt anhebenden Urſa-
che ausfalle.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. [457]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/487>, abgerufen am 22.11.2024.
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