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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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VI. Absch. Schlüssel der Auflösung der cosmol. etc.
lichen Gegenstand bedeuten, wenn nemlich diese Wahrneh-
mung mit allen andern nach den Regeln der Erfahrungs-
einheit zusammen hängt. So kan man sagen: die wirk-
liche Dinge der vergangenen Zeit sind in dem transscen-
dentalen Gegenstande der Erfahrung gegeben; sie sind
aber vor mich nur Gegenstände und in der vergangenen
Zeit wirklich, so fern als ich mir vorstelle: daß eine regressi-
ve Reihe möglicher Wahrnehmungen, (es sey am Leitfa-
den der Geschichte, oder an den Fußstapfen der Ursachen
und Wirkungen), nach empirischen Gesetzen, mit einem
Worte, der Weltlauf auf eine verflossene Zeitreihe, als
Bedingung der gegenwärtigen Zeit führet, welche alsdenn
doch nur in dem Zusammenhange einer möglichen Erfahrung
und nicht an sich selbst als wirklich vorgestellt wird, so,
daß alle von undenklicher Zeit her vor meinem Daseyn ver-
flossene Begebenheiten doch nichts anders bedeuten, als
die Möglichkeit der Verlängerung der Kette der Erfahrung,
von der gegenwärtigen Wahrnehmung an, aufwerts zu
den Bedingungen, welche diese der Zeit nach bestimmen.

Wenn ich mir demnach alle existirende Gegenstände
der Sinne in aller Zeit und allen Räumen insgesamt vor-
stelle: so setze ich solche nicht vor der Erfahrung in beide
hinein, sondern diese Vorstellung ist nichts anders, als
der Gedanke von einer möglichen Erfahrung, in ihrer ab-
soluten Vollständigkeit. In ihr allein sind iene Gegenstän-
de (welche nichts als blosse Vorstellungen sind) gegeben.

Daß

VI. Abſch. Schluͤſſel der Aufloͤſung der cosmol. ꝛc.
lichen Gegenſtand bedeuten, wenn nemlich dieſe Wahrneh-
mung mit allen andern nach den Regeln der Erfahrungs-
einheit zuſammen haͤngt. So kan man ſagen: die wirk-
liche Dinge der vergangenen Zeit ſind in dem transſcen-
dentalen Gegenſtande der Erfahrung gegeben; ſie ſind
aber vor mich nur Gegenſtaͤnde und in der vergangenen
Zeit wirklich, ſo fern als ich mir vorſtelle: daß eine regreſſi-
ve Reihe moͤglicher Wahrnehmungen, (es ſey am Leitfa-
den der Geſchichte, oder an den Fußſtapfen der Urſachen
und Wirkungen), nach empiriſchen Geſetzen, mit einem
Worte, der Weltlauf auf eine verfloſſene Zeitreihe, als
Bedingung der gegenwaͤrtigen Zeit fuͤhret, welche alsdenn
doch nur in dem Zuſammenhange einer moͤglichen Erfahrung
und nicht an ſich ſelbſt als wirklich vorgeſtellt wird, ſo,
daß alle von undenklicher Zeit her vor meinem Daſeyn ver-
floſſene Begebenheiten doch nichts anders bedeuten, als
die Moͤglichkeit der Verlaͤngerung der Kette der Erfahrung,
von der gegenwaͤrtigen Wahrnehmung an, aufwerts zu
den Bedingungen, welche dieſe der Zeit nach beſtimmen.

Wenn ich mir demnach alle exiſtirende Gegenſtaͤnde
der Sinne in aller Zeit und allen Raͤumen insgeſamt vor-
ſtelle: ſo ſetze ich ſolche nicht vor der Erfahrung in beide
hinein, ſondern dieſe Vorſtellung iſt nichts anders, als
der Gedanke von einer moͤglichen Erfahrung, in ihrer ab-
ſoluten Vollſtaͤndigkeit. In ihr allein ſind iene Gegenſtaͤn-
de (welche nichts als bloſſe Vorſtellungen ſind) gegeben.

Daß
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[495/0525] VI. Abſch. Schluͤſſel der Aufloͤſung der cosmol. ꝛc. lichen Gegenſtand bedeuten, wenn nemlich dieſe Wahrneh- mung mit allen andern nach den Regeln der Erfahrungs- einheit zuſammen haͤngt. So kan man ſagen: die wirk- liche Dinge der vergangenen Zeit ſind in dem transſcen- dentalen Gegenſtande der Erfahrung gegeben; ſie ſind aber vor mich nur Gegenſtaͤnde und in der vergangenen Zeit wirklich, ſo fern als ich mir vorſtelle: daß eine regreſſi- ve Reihe moͤglicher Wahrnehmungen, (es ſey am Leitfa- den der Geſchichte, oder an den Fußſtapfen der Urſachen und Wirkungen), nach empiriſchen Geſetzen, mit einem Worte, der Weltlauf auf eine verfloſſene Zeitreihe, als Bedingung der gegenwaͤrtigen Zeit fuͤhret, welche alsdenn doch nur in dem Zuſammenhange einer moͤglichen Erfahrung und nicht an ſich ſelbſt als wirklich vorgeſtellt wird, ſo, daß alle von undenklicher Zeit her vor meinem Daſeyn ver- floſſene Begebenheiten doch nichts anders bedeuten, als die Moͤglichkeit der Verlaͤngerung der Kette der Erfahrung, von der gegenwaͤrtigen Wahrnehmung an, aufwerts zu den Bedingungen, welche dieſe der Zeit nach beſtimmen. Wenn ich mir demnach alle exiſtirende Gegenſtaͤnde der Sinne in aller Zeit und allen Raͤumen insgeſamt vor- ſtelle: ſo ſetze ich ſolche nicht vor der Erfahrung in beide hinein, ſondern dieſe Vorſtellung iſt nichts anders, als der Gedanke von einer moͤglichen Erfahrung, in ihrer ab- ſoluten Vollſtaͤndigkeit. In ihr allein ſind iene Gegenſtaͤn- de (welche nichts als bloſſe Vorſtellungen ſind) gegeben. Daß

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/525>, abgerufen am 22.11.2024.