durch denn der Vernunft ein Gnüge gethan und das Un- bedingte den Erscheinungen vorgesezt wird, ohne die Reihe der lezteren, als iederzeit bedingt, dadurch zu verwirren und, den Verstandesgrundsätzen zuwider, abzubrechen.
Dadurch nun, daß die dynamische Ideen eine Be- dingung der Erscheinungen ausser der Reihe derselben, d. i. eine solche, die selbst nicht Erscheinung ist, zulassen, geschieht etwas, was von dem Erfolg der Antinomie gänz- lich unterschieden ist. Diese nemlich verursachte: daß beide dialectischen Gegenbehauptungen vor falsch erklärt werden mußten. Dagegen das Durchgängigbedingte der dynamischen Reihen, welches von ihnen als Erschei- nungen unzertrenlich ist, mit der zwar empirischunbeding- ten, aber auch nichtsinnlichen Bedingung verknüpft, dem Verstande einer Seits und der Vernunft anderer Seits*) Gnüge leisten und, indem die dialectische Argu- mente, welche unbedingte Totalität in blossen Erscheinun- gen auf eine oder andere Art suchten, wegfallen, dagegen die
Ver-
*) Denn der Verstand erlaubt unter Erscheinungen keine Bedingung, die selbst empirisch unbedingt wäre. Liesse sich aber eine intelligibele Bedingung, die also nicht in die Reihe der Erscheinungen, als ein Glied, mit gehöre- te, zu einem Bedingten (in der Erscheinung) gedenken, ohne doch dadurch die Reihe empirischer Bedingungen im mindesten zu unterbrechen: so könte eine solche als em- pirischunbedingt zugelassen werden, so daß dadurch dem empirischen continuirlichen Regressus nirgend Abbruch geschähe.
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IX. Abſch. Vomempir. Gebrauche des regul. ꝛc.
durch denn der Vernunft ein Gnuͤge gethan und das Un- bedingte den Erſcheinungen vorgeſezt wird, ohne die Reihe der lezteren, als iederzeit bedingt, dadurch zu verwirren und, den Verſtandesgrundſaͤtzen zuwider, abzubrechen.
Dadurch nun, daß die dynamiſche Ideen eine Be- dingung der Erſcheinungen auſſer der Reihe derſelben, d. i. eine ſolche, die ſelbſt nicht Erſcheinung iſt, zulaſſen, geſchieht etwas, was von dem Erfolg der Antinomie gaͤnz- lich unterſchieden iſt. Dieſe nemlich verurſachte: daß beide dialectiſchen Gegenbehauptungen vor falſch erklaͤrt werden mußten. Dagegen das Durchgaͤngigbedingte der dynamiſchen Reihen, welches von ihnen als Erſchei- nungen unzertrenlich iſt, mit der zwar empiriſchunbeding- ten, aber auch nichtſinnlichen Bedingung verknuͤpft, dem Verſtande einer Seits und der Vernunft anderer Seits*) Gnuͤge leiſten und, indem die dialectiſche Argu- mente, welche unbedingte Totalitaͤt in bloſſen Erſcheinun- gen auf eine oder andere Art ſuchten, wegfallen, dagegen die
Ver-
*) Denn der Verſtand erlaubt unter Erſcheinungen keine Bedingung, die ſelbſt empiriſch unbedingt waͤre. Lieſſe ſich aber eine intelligibele Bedingung, die alſo nicht in die Reihe der Erſcheinungen, als ein Glied, mit gehoͤre- te, zu einem Bedingten (in der Erſcheinung) gedenken, ohne doch dadurch die Reihe empiriſcher Bedingungen im mindeſten zu unterbrechen: ſo koͤnte eine ſolche als em- piriſchunbedingt zugelaſſen werden, ſo daß dadurch dem empiriſchen continuirlichen Regreſſus nirgend Abbruch geſchaͤhe.
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IX. Abſch. Vomempir. Gebrauche des regul. ꝛc.
durch denn der Vernunft ein Gnuͤge gethan und das Un-
bedingte den Erſcheinungen vorgeſezt wird, ohne die Reihe
der lezteren, als iederzeit bedingt, dadurch zu verwirren
und, den Verſtandesgrundſaͤtzen zuwider, abzubrechen.
Dadurch nun, daß die dynamiſche Ideen eine Be-
dingung der Erſcheinungen auſſer der Reihe derſelben,
d. i. eine ſolche, die ſelbſt nicht Erſcheinung iſt, zulaſſen,
geſchieht etwas, was von dem Erfolg der Antinomie gaͤnz-
lich unterſchieden iſt. Dieſe nemlich verurſachte: daß
beide dialectiſchen Gegenbehauptungen vor falſch erklaͤrt
werden mußten. Dagegen das Durchgaͤngigbedingte
der dynamiſchen Reihen, welches von ihnen als Erſchei-
nungen unzertrenlich iſt, mit der zwar empiriſchunbeding-
ten, aber auch nichtſinnlichen Bedingung verknuͤpft,
dem Verſtande einer Seits und der Vernunft anderer
Seits *) Gnuͤge leiſten und, indem die dialectiſche Argu-
mente, welche unbedingte Totalitaͤt in bloſſen Erſcheinun-
gen auf eine oder andere Art ſuchten, wegfallen, dagegen die
Ver-
*) Denn der Verſtand erlaubt unter Erſcheinungen keine
Bedingung, die ſelbſt empiriſch unbedingt waͤre. Lieſſe
ſich aber eine intelligibele Bedingung, die alſo nicht in
die Reihe der Erſcheinungen, als ein Glied, mit gehoͤre-
te, zu einem Bedingten (in der Erſcheinung) gedenken,
ohne doch dadurch die Reihe empiriſcher Bedingungen im
mindeſten zu unterbrechen: ſo koͤnte eine ſolche als em-
piriſchunbedingt zugelaſſen werden, ſo daß dadurch dem
empiriſchen continuirlichen Regreſſus nirgend Abbruch
geſchaͤhe.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/561>, abgerufen am 22.11.2024.
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