Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst.
Nothwendigkeit seiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt unentschieden), diesen einen Welturheber vor.
Die transscendentale Theologie ist entweder dieienige, welche das Daseyn des Urwesens von einer Erfahrung über- haupt (ohne über die Welt, wozu sie gehöret, etwas nä- her zu bestimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmo- theologie, oder glaubt durch blosse Begriffe, ohne Beihülfe der mindesten Erfahrung, sein Daseyn zu erkennen und wird Ontotheologie genant.
Die natürliche Theologie schließt auf die Eigen- schaften und das Daseyn eines Welturhebers, aus der Beschaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieser Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Caussalität und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na- tur und Freiheit. Daher steigt sie von dieser Welt zur höchsten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller natürlichen, oder aller sittlichen Ordnung und Vollkom- menheit. Im ersteren Falle heißt sie Physicotheologie, im lezten Moraltheologie*).
Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der Dinge, sondern ein höchstes Wesen, das durch Verstand
und
*) Nicht theologische Moral; denn die enthält sittliche Ge- setze, welche das Daseyn eines höchsten Weltregierers voraussetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber- zeugung vom Daseyn eines höchsten Wesens ist, welche auf sittliche Gesetze gegründet ist.
Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Nothwendigkeit ſeiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt unentſchieden), dieſen einen Welturheber vor.
Die transſcendentale Theologie iſt entweder dieienige, welche das Daſeyn des Urweſens von einer Erfahrung uͤber- haupt (ohne uͤber die Welt, wozu ſie gehoͤret, etwas naͤ- her zu beſtimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmo- theologie, oder glaubt durch bloſſe Begriffe, ohne Beihuͤlfe der mindeſten Erfahrung, ſein Daſeyn zu erkennen und wird Ontotheologie genant.
Die natuͤrliche Theologie ſchließt auf die Eigen- ſchaften und das Daſeyn eines Welturhebers, aus der Beſchaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieſer Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Cauſſalitaͤt und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na- tur und Freiheit. Daher ſteigt ſie von dieſer Welt zur hoͤchſten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller natuͤrlichen, oder aller ſittlichen Ordnung und Vollkom- menheit. Im erſteren Falle heißt ſie Phyſicotheologie, im lezten Moraltheologie*).
Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der Dinge, ſondern ein hoͤchſtes Weſen, das durch Verſtand
und
*) Nicht theologiſche Moral; denn die enthaͤlt ſittliche Ge- ſetze, welche das Daſeyn eines hoͤchſten Weltregierers vorausſetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber- zeugung vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens iſt, welche auf ſittliche Geſetze gegruͤndet iſt.
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Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptſt.
Nothwendigkeit ſeiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt
unentſchieden), dieſen einen Welturheber vor.
Die transſcendentale Theologie iſt entweder dieienige,
welche das Daſeyn des Urweſens von einer Erfahrung uͤber-
haupt (ohne uͤber die Welt, wozu ſie gehoͤret, etwas naͤ-
her zu beſtimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmo-
theologie, oder glaubt durch bloſſe Begriffe, ohne Beihuͤlfe
der mindeſten Erfahrung, ſein Daſeyn zu erkennen und
wird Ontotheologie genant.
Die natuͤrliche Theologie ſchließt auf die Eigen-
ſchaften und das Daſeyn eines Welturhebers, aus der
Beſchaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieſer
Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Cauſſalitaͤt
und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Na-
tur und Freiheit. Daher ſteigt ſie von dieſer Welt zur
hoͤchſten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller
natuͤrlichen, oder aller ſittlichen Ordnung und Vollkom-
menheit. Im erſteren Falle heißt ſie Phyſicotheologie,
im lezten Moraltheologie *).
Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa
blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der
Dinge, ſondern ein hoͤchſtes Weſen, das durch Verſtand
und
*) Nicht theologiſche Moral; denn die enthaͤlt ſittliche Ge-
ſetze, welche das Daſeyn eines hoͤchſten Weltregierers
vorausſetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueber-
zeugung vom Daſeyn eines hoͤchſten Weſens iſt, welche
auf ſittliche Geſetze gegruͤndet iſt.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/662>, abgerufen am 22.11.2024.
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