Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.Elementarlehre. I. Th. Transsc. Aesthetik. der einige metaphysische Naturlehrer sind,) und Raumund Zeit gelten ihnen als von der Erfahrung abstrahirte, obzwar in der Absonderung verworren vorgestellte Ver- hältnisse der Erscheinungen (neben oder nach einander) so müssen sie den mathematischen Lehren a priori in An- sehung wirklicher Dinge (z. E. im Raume) ihre Gültigkeit, wenigstens die apodictische Gewißheit streiten, indem diese a posteriori gar nicht statt findet, und die Begriffe a priori von Raum und Zeit dieser Meinung nach, nur Ge- schöpfe der Einbildungskraft sind, deren Quell wirklich in der Erfahrung gesucht werden muß, aus deren abstrahir- ten Verhältnissen die Einbildung etwas gemacht hat, was zwar das Allgemeine derselben enthält, aber ohne die Re- strictionen, welche die Natur mit denselben verknüpft hat, nicht statt finden kan. Die erstere gewinnen so viel, daß sie vor die mathematische Behauptungen sich das Feld der Erscheinungen frey machen: Dagegen verwirren sie sich sehr durch eben diese Bedingungen, wenn der Verstand über dieses Feld hinausgehen will. Die zweite gewinnen zwar in Ansehung des lezteren, nemlich, daß die Vorstel- lungen von Raum und Zeit ihnen nicht in den Weg kom- men, wenn sie von Gegenständen nicht als Erscheinungen, sondern blos im Verhältniß auf den Verstand urtheilen wollen; können aber weder von der Möglichkeit mathema- tischer Erkentnisse a priori (indem ihnen eine wahre und obiectiv gültige Anschauung a priori fehlt) Grund ange- ben, noch die Erfahrungssätze mit ienen Behauptungen in noth-
Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik. der einige metaphyſiſche Naturlehrer ſind,) und Raumund Zeit gelten ihnen als von der Erfahrung abſtrahirte, obzwar in der Abſonderung verworren vorgeſtellte Ver- haͤltniſſe der Erſcheinungen (neben oder nach einander) ſo muͤſſen ſie den mathematiſchen Lehren a priori in An- ſehung wirklicher Dinge (z. E. im Raume) ihre Guͤltigkeit, wenigſtens die apodictiſche Gewißheit ſtreiten, indem dieſe a poſteriori gar nicht ſtatt findet, und die Begriffe a priori von Raum und Zeit dieſer Meinung nach, nur Ge- ſchoͤpfe der Einbildungskraft ſind, deren Quell wirklich in der Erfahrung geſucht werden muß, aus deren abſtrahir- ten Verhaͤltniſſen die Einbildung etwas gemacht hat, was zwar das Allgemeine derſelben enthaͤlt, aber ohne die Re- ſtrictionen, welche die Natur mit denſelben verknuͤpft hat, nicht ſtatt finden kan. Die erſtere gewinnen ſo viel, daß ſie vor die mathematiſche Behauptungen ſich das Feld der Erſcheinungen frey machen: Dagegen verwirren ſie ſich ſehr durch eben dieſe Bedingungen, wenn der Verſtand uͤber dieſes Feld hinausgehen will. Die zweite gewinnen zwar in Anſehung des lezteren, nemlich, daß die Vorſtel- lungen von Raum und Zeit ihnen nicht in den Weg kom- men, wenn ſie von Gegenſtaͤnden nicht als Erſcheinungen, ſondern blos im Verhaͤltniß auf den Verſtand urtheilen wollen; koͤnnen aber weder von der Moͤglichkeit mathema- tiſcher Erkentniſſe a priori (indem ihnen eine wahre und obiectiv guͤltige Anſchauung a priori fehlt) Grund ange- ben, noch die Erfahrungsſaͤtze mit ienen Behauptungen in noth-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0070" n="40"/><fw place="top" type="header">Elementarlehre. <hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Transſc. Aeſthetik.</fw><lb/> der einige metaphyſiſche Naturlehrer ſind,) und Raum<lb/> und Zeit gelten ihnen als von der Erfahrung abſtrahirte,<lb/> obzwar in der Abſonderung verworren vorgeſtellte Ver-<lb/> haͤltniſſe der Erſcheinungen (neben oder nach einander)<lb/> ſo muͤſſen ſie den mathematiſchen Lehren <hi rendition="#aq">a priori</hi> in An-<lb/> ſehung wirklicher Dinge (z. E. im Raume) ihre Guͤltigkeit,<lb/> wenigſtens die apodictiſche Gewißheit ſtreiten, indem dieſe<lb/><hi rendition="#aq">a poſteriori</hi> gar nicht ſtatt findet, und die Begriffe <hi rendition="#aq">a<lb/> priori</hi> von Raum und Zeit dieſer Meinung nach, nur Ge-<lb/> ſchoͤpfe der Einbildungskraft ſind, deren Quell wirklich in<lb/> der Erfahrung geſucht werden muß, aus deren abſtrahir-<lb/> ten Verhaͤltniſſen die Einbildung etwas gemacht hat, was<lb/> zwar das Allgemeine derſelben enthaͤlt, aber ohne die Re-<lb/> ſtrictionen, welche die Natur mit denſelben verknuͤpft hat,<lb/> nicht ſtatt finden kan. Die erſtere gewinnen ſo viel, daß<lb/> ſie vor die mathematiſche Behauptungen ſich das Feld der<lb/> Erſcheinungen frey machen: Dagegen verwirren ſie ſich<lb/> ſehr durch eben dieſe Bedingungen, wenn der Verſtand<lb/> uͤber dieſes Feld hinausgehen will. Die zweite gewinnen<lb/> zwar in Anſehung des lezteren, nemlich, daß die Vorſtel-<lb/> lungen von Raum und Zeit ihnen nicht in den Weg kom-<lb/> men, wenn ſie von Gegenſtaͤnden nicht als Erſcheinungen,<lb/> ſondern blos im Verhaͤltniß auf den Verſtand urtheilen<lb/> wollen; koͤnnen aber weder von der Moͤglichkeit mathema-<lb/> tiſcher Erkentniſſe <hi rendition="#aq">a priori</hi> (indem ihnen eine wahre und<lb/> obiectiv guͤltige Anſchauung <hi rendition="#aq">a priori</hi> fehlt) Grund ange-<lb/> ben, noch die Erfahrungsſaͤtze mit ienen Behauptungen in<lb/> <fw place="bottom" type="catch">noth-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0070]
Elementarlehre. I. Th. Transſc. Aeſthetik.
der einige metaphyſiſche Naturlehrer ſind,) und Raum
und Zeit gelten ihnen als von der Erfahrung abſtrahirte,
obzwar in der Abſonderung verworren vorgeſtellte Ver-
haͤltniſſe der Erſcheinungen (neben oder nach einander)
ſo muͤſſen ſie den mathematiſchen Lehren a priori in An-
ſehung wirklicher Dinge (z. E. im Raume) ihre Guͤltigkeit,
wenigſtens die apodictiſche Gewißheit ſtreiten, indem dieſe
a poſteriori gar nicht ſtatt findet, und die Begriffe a
priori von Raum und Zeit dieſer Meinung nach, nur Ge-
ſchoͤpfe der Einbildungskraft ſind, deren Quell wirklich in
der Erfahrung geſucht werden muß, aus deren abſtrahir-
ten Verhaͤltniſſen die Einbildung etwas gemacht hat, was
zwar das Allgemeine derſelben enthaͤlt, aber ohne die Re-
ſtrictionen, welche die Natur mit denſelben verknuͤpft hat,
nicht ſtatt finden kan. Die erſtere gewinnen ſo viel, daß
ſie vor die mathematiſche Behauptungen ſich das Feld der
Erſcheinungen frey machen: Dagegen verwirren ſie ſich
ſehr durch eben dieſe Bedingungen, wenn der Verſtand
uͤber dieſes Feld hinausgehen will. Die zweite gewinnen
zwar in Anſehung des lezteren, nemlich, daß die Vorſtel-
lungen von Raum und Zeit ihnen nicht in den Weg kom-
men, wenn ſie von Gegenſtaͤnden nicht als Erſcheinungen,
ſondern blos im Verhaͤltniß auf den Verſtand urtheilen
wollen; koͤnnen aber weder von der Moͤglichkeit mathema-
tiſcher Erkentniſſe a priori (indem ihnen eine wahre und
obiectiv guͤltige Anſchauung a priori fehlt) Grund ange-
ben, noch die Erfahrungsſaͤtze mit ienen Behauptungen in
noth-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |