überall einen richtigen Gebrauch der reinen Vernunft giebt, in welchem Fall es auch einen Canon derselben geben muß, so wird dieser nicht den speculativen, sondern den practischen Vernunftgebrauch betreffen, den wir also iezt untersuchen wollen.
Des Canons der reinen Vernunft Erster Abschnitt. Von dem lezten Zwecke des reinen Gebrauchs unserer Vernunft.
Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur ge- trieben, über den Erfahrungsgebrauch hinaus zu gehen, sich in einem reinen Gebrauche und vermittelst blosser Ideen zu den äussersten Gränzen aller Erkentniß hinaus zu wagen und nur allererst in der Vollendung ih- res Kreises, in einem vor sich bestehenden systematischen Ganzen, Ruhe zu finden. Ist nun diese Bestrebung blos auf ihr speculatives, oder vielmehr einzig und allein auf ihr practisches Interesse gegründet?
Ich will das Glück, welches die reine Vernunft in speculativer Absicht macht, iezt bey Seite setzen und frage nur nach denen Aufgaben, deren Auflösung ihren lezten Zweck ausmacht, sie mag diesen nun erreichen oder nicht, und in Ansehung dessen alle andere blos den Werth der Mit- tel haben. Diese höchste Zwecke werden, nach der Natur
der
Der Canon der reinen Vernunft.
uͤberall einen richtigen Gebrauch der reinen Vernunft giebt, in welchem Fall es auch einen Canon derſelben geben muß, ſo wird dieſer nicht den ſpeculativen, ſondern den practiſchen Vernunftgebrauch betreffen, den wir alſo iezt unterſuchen wollen.
Des Canons der reinen Vernunft Erſter Abſchnitt. Von dem lezten Zwecke des reinen Gebrauchs unſerer Vernunft.
Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur ge- trieben, uͤber den Erfahrungsgebrauch hinaus zu gehen, ſich in einem reinen Gebrauche und vermittelſt bloſſer Ideen zu den aͤuſſerſten Graͤnzen aller Erkentniß hinaus zu wagen und nur allererſt in der Vollendung ih- res Kreiſes, in einem vor ſich beſtehenden ſyſtematiſchen Ganzen, Ruhe zu finden. Iſt nun dieſe Beſtrebung blos auf ihr ſpeculatives, oder vielmehr einzig und allein auf ihr practiſches Intereſſe gegruͤndet?
Ich will das Gluͤck, welches die reine Vernunft in ſpeculativer Abſicht macht, iezt bey Seite ſetzen und frage nur nach denen Aufgaben, deren Aufloͤſung ihren lezten Zweck ausmacht, ſie mag dieſen nun erreichen oder nicht, und in Anſehung deſſen alle andere blos den Werth der Mit- tel haben. Dieſe hoͤchſte Zwecke werden, nach der Natur
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Der Canon der reinen Vernunft.
uͤberall einen richtigen Gebrauch der reinen Vernunft giebt,
in welchem Fall es auch einen Canon derſelben geben muß,
ſo wird dieſer nicht den ſpeculativen, ſondern den practiſchen
Vernunftgebrauch betreffen, den wir alſo iezt unterſuchen
wollen.
Des
Canons der reinen Vernunft
Erſter Abſchnitt.
Von dem lezten Zwecke des reinen Gebrauchs
unſerer Vernunft.
Die Vernunft wird durch einen Hang ihrer Natur ge-
trieben, uͤber den Erfahrungsgebrauch hinaus zu
gehen, ſich in einem reinen Gebrauche und vermittelſt
bloſſer Ideen zu den aͤuſſerſten Graͤnzen aller Erkentniß
hinaus zu wagen und nur allererſt in der Vollendung ih-
res Kreiſes, in einem vor ſich beſtehenden ſyſtematiſchen
Ganzen, Ruhe zu finden. Iſt nun dieſe Beſtrebung blos
auf ihr ſpeculatives, oder vielmehr einzig und allein auf
ihr practiſches Intereſſe gegruͤndet?
Ich will das Gluͤck, welches die reine Vernunft in
ſpeculativer Abſicht macht, iezt bey Seite ſetzen und frage
nur nach denen Aufgaben, deren Aufloͤſung ihren lezten
Zweck ausmacht, ſie mag dieſen nun erreichen oder nicht,
und in Anſehung deſſen alle andere blos den Werth der Mit-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 797. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/827>, abgerufen am 22.11.2024.
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