scheinungen empirisch vorausgesezt werden kan, sondern selbst ein Problem vor die Vernunft ist, hier, als oben abgethan, bey Seite setze. Eine Willkühr nemlich ist blos thierisch(arbitrium brutum), die nicht anders als durch sinnliche Antriebe, d. i. pathologisch bestimt werden kan. Dieienige aber, welche unabhängig von sinnlichen Antrieben, mithin durch Bewegursachen, welche nur von der Vernunft vorgestellet werden, bestimmet werden kan, heißt die freie Willkühr(arbitrium liberum) und alles, was mit dieser, es sey als Grund, oder Folge zusammen- hängt, wird Practisch genant. Die practische Freiheit kan durch Erfahrung bewiesen werden. Denn, nicht blos das, was reitzt, d. i. die Sinne unmittelbar afficirt, be- stimt die menschliche Willkühr, sondern wir haben ein Vermögen durch Vorstellungen von dem, was selbst auf entfernete Art nützlich oder schädlich ist, die Eindrücke auf unser sinnliches Begehrungsvermögen zu überwinden; die- se Ueberlegungen aber von dem, was in Ansehung unseres ganzen Zustandes begehrungswerth, d. i. gut und nützlich ist, beruhen auf der Vernunft. Diese giebt daher auch Gesetze, welche Imperativen, d. i. obiective Gesetze der Freiheit seyn und welche sagen, was geschehen soll, ob es gleich vielleicht nie geschieht und sich darin von Natur- gesetzen, die nur von dem handeln, was geschieht, unter- scheiden, weshalb sie auch practische Gesetze genant werden.
Ob
Methodenlehre II. Hauptſt. I. Abſch.
ſcheinungen empiriſch vorausgeſezt werden kan, ſondern ſelbſt ein Problem vor die Vernunft iſt, hier, als oben abgethan, bey Seite ſetze. Eine Willkuͤhr nemlich iſt blos thieriſch(arbitrium brutum), die nicht anders als durch ſinnliche Antriebe, d. i. pathologiſch beſtimt werden kan. Dieienige aber, welche unabhaͤngig von ſinnlichen Antrieben, mithin durch Bewegurſachen, welche nur von der Vernunft vorgeſtellet werden, beſtimmet werden kan, heißt die freie Willkuͤhr(arbitrium liberum) und alles, was mit dieſer, es ſey als Grund, oder Folge zuſammen- haͤngt, wird Practiſch genant. Die practiſche Freiheit kan durch Erfahrung bewieſen werden. Denn, nicht blos das, was reitzt, d. i. die Sinne unmittelbar afficirt, be- ſtimt die menſchliche Willkuͤhr, ſondern wir haben ein Vermoͤgen durch Vorſtellungen von dem, was ſelbſt auf entfernete Art nuͤtzlich oder ſchaͤdlich iſt, die Eindruͤcke auf unſer ſinnliches Begehrungsvermoͤgen zu uͤberwinden; die- ſe Ueberlegungen aber von dem, was in Anſehung unſeres ganzen Zuſtandes begehrungswerth, d. i. gut und nuͤtzlich iſt, beruhen auf der Vernunft. Dieſe giebt daher auch Geſetze, welche Imperativen, d. i. obiective Geſetze der Freiheit ſeyn und welche ſagen, was geſchehen ſoll, ob es gleich vielleicht nie geſchieht und ſich darin von Natur- geſetzen, die nur von dem handeln, was geſchieht, unter- ſcheiden, weshalb ſie auch practiſche Geſetze genant werden.
Ob
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Methodenlehre II. Hauptſt. I. Abſch.
ſcheinungen empiriſch vorausgeſezt werden kan, ſondern
ſelbſt ein Problem vor die Vernunft iſt, hier, als oben
abgethan, bey Seite ſetze. Eine Willkuͤhr nemlich iſt
blos thieriſch (arbitrium brutum), die nicht anders als
durch ſinnliche Antriebe, d. i. pathologiſch beſtimt werden
kan. Dieienige aber, welche unabhaͤngig von ſinnlichen
Antrieben, mithin durch Bewegurſachen, welche nur von
der Vernunft vorgeſtellet werden, beſtimmet werden kan,
heißt die freie Willkuͤhr (arbitrium liberum) und alles,
was mit dieſer, es ſey als Grund, oder Folge zuſammen-
haͤngt, wird Practiſch genant. Die practiſche Freiheit
kan durch Erfahrung bewieſen werden. Denn, nicht blos
das, was reitzt, d. i. die Sinne unmittelbar afficirt, be-
ſtimt die menſchliche Willkuͤhr, ſondern wir haben ein
Vermoͤgen durch Vorſtellungen von dem, was ſelbſt auf
entfernete Art nuͤtzlich oder ſchaͤdlich iſt, die Eindruͤcke auf
unſer ſinnliches Begehrungsvermoͤgen zu uͤberwinden; die-
ſe Ueberlegungen aber von dem, was in Anſehung unſeres
ganzen Zuſtandes begehrungswerth, d. i. gut und nuͤtzlich
iſt, beruhen auf der Vernunft. Dieſe giebt daher auch
Geſetze, welche Imperativen, d. i. obiective Geſetze der
Freiheit ſeyn und welche ſagen, was geſchehen ſoll, ob
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 802. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/832>, abgerufen am 22.11.2024.
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