Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
schmerzt, geschieht. Daher Urtheile, die so afficirt sind
auf allgemeingültiges Wohlgefallen entweder gar keinen,
oder so viel weniger Anspruch machen können, als sich
von der gedachten Art Empfindungen unter den Bestim-
mungsgründen des Geschmacks befinden. Der Geschmack
ist jederzeit noch barbarisch, wo er die Beymischung der
Reize und Rührungen zum Wohlgefallen bedarf, ja
wohl gar diese zum Maaßstabe seines Beyfalls macht.

Jndessen werden Reize doch öfters nicht allein zur
Schönheit (die doch eigentlich blos die Form betreffen
sollte) als Beytrag zum ästhetischen allgemeinen Wohl-
gefallen gezählt, sondern sie werden wohl gar für sich
selbst für Schönheiten, mithin die Materie des Wohlge-
fallens für die Form ausgegeben: ein Misverstand der
sich, so wie mancher andere, welcher doch noch immer
etwas Wahres zum Grunde hat, sich durch sorgfältige
Bestimmung dieser Begriffe heben läßt.

Ein Geschmacksurtheil, auf welches Reiz und Rüh-
rung keinen Einfluß haben, (ob sie sich gleich mit dem
Wohlgefallen am Schönen verbinden lassen) welches also
blos die Zweckmäßigkeit der Form zum Bestimmungs-
grunde hat, ist ein reines Geschmacksurtheil.

§. 14.
Erläuterung durch Beyspiele.

Aesthetische Urtheile können, eben so wohl als theo-
retische (logische), in reine und empirische eingetheilt

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ſchmerzt, geſchieht. Daher Urtheile, die ſo afficirt ſind
auf allgemeinguͤltiges Wohlgefallen entweder gar keinen,
oder ſo viel weniger Anſpruch machen koͤnnen, als ſich
von der gedachten Art Empfindungen unter den Beſtim-
mungsgruͤnden des Geſchmacks befinden. Der Geſchmack
iſt jederzeit noch barbariſch, wo er die Beymiſchung der
Reize und Ruͤhrungen zum Wohlgefallen bedarf, ja
wohl gar dieſe zum Maaßſtabe ſeines Beyfalls macht.

Jndeſſen werden Reize doch oͤfters nicht allein zur
Schoͤnheit (die doch eigentlich blos die Form betreffen
ſollte) als Beytrag zum aͤſthetiſchen allgemeinen Wohl-
gefallen gezaͤhlt, ſondern ſie werden wohl gar fuͤr ſich
ſelbſt fuͤr Schoͤnheiten, mithin die Materie des Wohlge-
fallens fuͤr die Form ausgegeben: ein Misverſtand der
ſich, ſo wie mancher andere, welcher doch noch immer
etwas Wahres zum Grunde hat, ſich durch ſorgfaͤltige
Beſtimmung dieſer Begriffe heben laͤßt.

Ein Geſchmacksurtheil, auf welches Reiz und Ruͤh-
rung keinen Einfluß haben, (ob ſie ſich gleich mit dem
Wohlgefallen am Schoͤnen verbinden laſſen) welches alſo
blos die Zweckmaͤßigkeit der Form zum Beſtimmungs-
grunde hat, iſt ein reines Geſchmacksurtheil.

§. 14.
Erlaͤuterung durch Beyſpiele.

Aeſthetiſche Urtheile koͤnnen, eben ſo wohl als theo-
retiſche (logiſche), in reine und empiriſche eingetheilt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0102" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
&#x017F;chmerzt, ge&#x017F;chieht. Daher Urtheile, die &#x017F;o afficirt &#x017F;ind<lb/>
auf allgemeingu&#x0364;ltiges Wohlgefallen entweder gar keinen,<lb/>
oder &#x017F;o viel weniger An&#x017F;pruch machen ko&#x0364;nnen, als &#x017F;ich<lb/>
von der gedachten Art Empfindungen unter den Be&#x017F;tim-<lb/>
mungsgru&#x0364;nden des Ge&#x017F;chmacks befinden. Der Ge&#x017F;chmack<lb/>
i&#x017F;t jederzeit noch barbari&#x017F;ch, wo er die Beymi&#x017F;chung der<lb/><hi rendition="#fr">Reize</hi> und <hi rendition="#fr">Ru&#x0364;hrungen</hi> zum Wohlgefallen bedarf, ja<lb/>
wohl gar die&#x017F;e zum Maaß&#x017F;tabe &#x017F;eines Beyfalls macht.</p><lb/>
                <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en werden Reize doch o&#x0364;fters nicht allein zur<lb/>
Scho&#x0364;nheit (die doch eigentlich blos die Form betreffen<lb/>
&#x017F;ollte) als Beytrag zum a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen allgemeinen Wohl-<lb/>
gefallen geza&#x0364;hlt, &#x017F;ondern &#x017F;ie werden wohl gar fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r Scho&#x0364;nheiten, mithin die Materie des Wohlge-<lb/>
fallens fu&#x0364;r die Form ausgegeben: ein Misver&#x017F;tand der<lb/>
&#x017F;ich, &#x017F;o wie mancher andere, welcher doch noch immer<lb/>
etwas Wahres zum Grunde hat, &#x017F;ich durch &#x017F;orgfa&#x0364;ltige<lb/>
Be&#x017F;timmung die&#x017F;er Begriffe heben la&#x0364;ßt.</p><lb/>
                <p>Ein Ge&#x017F;chmacksurtheil, auf welches Reiz und Ru&#x0364;h-<lb/>
rung keinen Einfluß haben, (ob &#x017F;ie &#x017F;ich gleich mit dem<lb/>
Wohlgefallen am Scho&#x0364;nen verbinden la&#x017F;&#x017F;en) welches al&#x017F;o<lb/>
blos die Zweckma&#x0364;ßigkeit der Form zum Be&#x017F;timmungs-<lb/>
grunde hat, i&#x017F;t ein <hi rendition="#fr">reines Ge&#x017F;chmacksurtheil</hi>.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b">§. 14.<lb/>
Erla&#x0364;uterung durch Bey&#x017F;piele.</hi> </head><lb/>
                <p>Ae&#x017F;theti&#x017F;che Urtheile ko&#x0364;nnen, eben &#x017F;o wohl als theo-<lb/>
reti&#x017F;che (logi&#x017F;che), in reine und empiri&#x017F;che eingetheilt<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0102] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. ſchmerzt, geſchieht. Daher Urtheile, die ſo afficirt ſind auf allgemeinguͤltiges Wohlgefallen entweder gar keinen, oder ſo viel weniger Anſpruch machen koͤnnen, als ſich von der gedachten Art Empfindungen unter den Beſtim- mungsgruͤnden des Geſchmacks befinden. Der Geſchmack iſt jederzeit noch barbariſch, wo er die Beymiſchung der Reize und Ruͤhrungen zum Wohlgefallen bedarf, ja wohl gar dieſe zum Maaßſtabe ſeines Beyfalls macht. Jndeſſen werden Reize doch oͤfters nicht allein zur Schoͤnheit (die doch eigentlich blos die Form betreffen ſollte) als Beytrag zum aͤſthetiſchen allgemeinen Wohl- gefallen gezaͤhlt, ſondern ſie werden wohl gar fuͤr ſich ſelbſt fuͤr Schoͤnheiten, mithin die Materie des Wohlge- fallens fuͤr die Form ausgegeben: ein Misverſtand der ſich, ſo wie mancher andere, welcher doch noch immer etwas Wahres zum Grunde hat, ſich durch ſorgfaͤltige Beſtimmung dieſer Begriffe heben laͤßt. Ein Geſchmacksurtheil, auf welches Reiz und Ruͤh- rung keinen Einfluß haben, (ob ſie ſich gleich mit dem Wohlgefallen am Schoͤnen verbinden laſſen) welches alſo blos die Zweckmaͤßigkeit der Form zum Beſtimmungs- grunde hat, iſt ein reines Geſchmacksurtheil. §. 14. Erlaͤuterung durch Beyſpiele. Aeſthetiſche Urtheile koͤnnen, eben ſo wohl als theo- retiſche (logiſche), in reine und empiriſche eingetheilt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/102
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/102>, abgerufen am 04.12.2024.