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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

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I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
des Sinns, dem die Empfindung angehört, d. i. den
Ton desselben betreffen, und in dieser weitläuftigen
Bedeutung des Worts kann sie in das künstliche Spiel
mit dem Tone der Empfindung des Gehörs und der
des Gesichts, mithin in Musik und Farbenkunst, ein-
getheilt werden. -- Es ist merkwürdig: daß diese
zwey Sinne, außer der Empfänglichkeit für Eindrücke,
so viel davon erforderlich ist, um von äußern Gegen-
ständen vermittelst ihrer Begriffe zu bekommen, noch
einer besonderen damit verbundenen Empfindung fähig
sind, von welcher man nicht recht ausmachen kann,
ob sie den Sinn, oder die Reflexion zum Grunde
habe und daß diese Affectibilität doch bisweilen man-
geln kann, obgleich der Sinn übrigens, was seinen
Gebrauch zum Erkenntnis der Objecte betrift, gar
nicht mangelhaft, sondern wohl gar vorzüglich fein
ist; das heißt, man kann nicht mit Gewisheit sagen:
ob eine Farbe oder ein Ton (Klang) blos angenehme
Empfindungen, oder an sich schon ein schönes Spiel
von Empfindungen seyn und als ein solches ein Wohl-
gefallen an der Form in der ästhetischen Beurtheilung
bey sich führen. Wenn man die Schnelligkeit der Licht-
oder in der zweyten Art, der Luftbebungen, die alles
unser Vermögen, die Proportion der Zeiteintheilung
durch dieselbe unmittelbar bey der Warnehmung zu
beurtheilen, wahrscheinlicherweise bey weitem übertrift,
bedenkt, so sollte man glauben, nur die Wirkung

Kants Crit. d. Urtheilskr. O

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
des Sinns, dem die Empfindung angehoͤrt, d. i. den
Ton deſſelben betreffen, und in dieſer weitlaͤuftigen
Bedeutung des Worts kann ſie in das kuͤnſtliche Spiel
mit dem Tone der Empfindung des Gehoͤrs und der
des Geſichts, mithin in Muſik und Farbenkunſt, ein-
getheilt werden. — Es iſt merkwuͤrdig: daß dieſe
zwey Sinne, außer der Empfaͤnglichkeit fuͤr Eindruͤcke,
ſo viel davon erforderlich iſt, um von aͤußern Gegen-
ſtaͤnden vermittelſt ihrer Begriffe zu bekommen, noch
einer beſonderen damit verbundenen Empfindung faͤhig
ſind, von welcher man nicht recht ausmachen kann,
ob ſie den Sinn, oder die Reflexion zum Grunde
habe und daß dieſe Affectibilitaͤt doch bisweilen man-
geln kann, obgleich der Sinn uͤbrigens, was ſeinen
Gebrauch zum Erkenntnis der Objecte betrift, gar
nicht mangelhaft, ſondern wohl gar vorzuͤglich fein
iſt; das heißt, man kann nicht mit Gewisheit ſagen:
ob eine Farbe oder ein Ton (Klang) blos angenehme
Empfindungen, oder an ſich ſchon ein ſchoͤnes Spiel
von Empfindungen ſeyn und als ein ſolches ein Wohl-
gefallen an der Form in der aͤſthetiſchen Beurtheilung
bey ſich fuͤhren. Wenn man die Schnelligkeit der Licht-
oder in der zweyten Art, der Luftbebungen, die alles
unſer Vermoͤgen, die Proportion der Zeiteintheilung
durch dieſelbe unmittelbar bey der Warnehmung zu
beurtheilen, wahrſcheinlicherweiſe bey weitem uͤbertrift,
bedenkt, ſo ſollte man glauben, nur die Wirkung

Kants Crit. d. Urtheilskr. O
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[209/0273] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. des Sinns, dem die Empfindung angehoͤrt, d. i. den Ton deſſelben betreffen, und in dieſer weitlaͤuftigen Bedeutung des Worts kann ſie in das kuͤnſtliche Spiel mit dem Tone der Empfindung des Gehoͤrs und der des Geſichts, mithin in Muſik und Farbenkunſt, ein- getheilt werden. — Es iſt merkwuͤrdig: daß dieſe zwey Sinne, außer der Empfaͤnglichkeit fuͤr Eindruͤcke, ſo viel davon erforderlich iſt, um von aͤußern Gegen- ſtaͤnden vermittelſt ihrer Begriffe zu bekommen, noch einer beſonderen damit verbundenen Empfindung faͤhig ſind, von welcher man nicht recht ausmachen kann, ob ſie den Sinn, oder die Reflexion zum Grunde habe und daß dieſe Affectibilitaͤt doch bisweilen man- geln kann, obgleich der Sinn uͤbrigens, was ſeinen Gebrauch zum Erkenntnis der Objecte betrift, gar nicht mangelhaft, ſondern wohl gar vorzuͤglich fein iſt; das heißt, man kann nicht mit Gewisheit ſagen: ob eine Farbe oder ein Ton (Klang) blos angenehme Empfindungen, oder an ſich ſchon ein ſchoͤnes Spiel von Empfindungen ſeyn und als ein ſolches ein Wohl- gefallen an der Form in der aͤſthetiſchen Beurtheilung bey ſich fuͤhren. Wenn man die Schnelligkeit der Licht- oder in der zweyten Art, der Luftbebungen, die alles unſer Vermoͤgen, die Proportion der Zeiteintheilung durch dieſelbe unmittelbar bey der Warnehmung zu beurtheilen, wahrſcheinlicherweiſe bey weitem uͤbertrift, bedenkt, ſo ſollte man glauben, nur die Wirkung Kants Crit. d. Urtheilskr. O

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/273>, abgerufen am 18.06.2024.