Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft. stellt werden kann. Vernünftige Bewohner anderer Pla-neten anzunehmen, ist eine Sache der Meynung; denn, wenn wir diesen näher kommen könnten, welches an sich möglich ist, würden wir, ob sie sind, oder nicht sind, durch Erfahrung ausmachen; aber wir werden ihnen nie- mals so nahe kommen und so bleibt es beym Meynen. Allein Meynen: daß es reine, ohne Körper denkende Geister im materiellen Univers gebe (wenn man nämlich gewisse dafür ausgegebene Erscheinungen, wie billig, von der Hand weiset), heißt dichten, und ist gar keine Sa- che der Meynung, sondern eine bloße Jdee, welche übrig bleibt, wenn man von einem denkenden Wesen alles Ma- terielle wegnimmt, und ihm doch das Denken übrig läßt. Ob aber alsdann das Letztere (welches wir nur am Men- schen, d. i. in Verbindung mit einem Körper kennen) übrig bleibe, können wir nicht ausmachen. Ein solches Ding ist ein vernünfteltes Wesen (ens rationis ratiocinan- tis) kein Vernunftwesen (ens rationis ratiocinatae), von welchem letzteren es doch möglich ist die objective Re- alität seines Begrifs, wenigstens für den practischen Ge- brauch der Vernunft, hinreichend darzuthun, weil die- ser, der seine eigenthümliche und apodictisch gewisse Prin- cipien a priori hat, ihn sogar erheischt (postulirt). 2) Gegenstände für Begriffe, deren objective Rea- II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. ſtellt werden kann. Vernuͤnftige Bewohner anderer Pla-neten anzunehmen, iſt eine Sache der Meynung; denn, wenn wir dieſen naͤher kommen koͤnnten, welches an ſich moͤglich iſt, wuͤrden wir, ob ſie ſind, oder nicht ſind, durch Erfahrung ausmachen; aber wir werden ihnen nie- mals ſo nahe kommen und ſo bleibt es beym Meynen. Allein Meynen: daß es reine, ohne Koͤrper denkende Geiſter im materiellen Univers gebe (wenn man naͤmlich gewiſſe dafuͤr ausgegebene Erſcheinungen, wie billig, von der Hand weiſet), heißt dichten, und iſt gar keine Sa- che der Meynung, ſondern eine bloße Jdee, welche uͤbrig bleibt, wenn man von einem denkenden Weſen alles Ma- terielle wegnimmt, und ihm doch das Denken uͤbrig laͤßt. Ob aber alsdann das Letztere (welches wir nur am Men- ſchen, d. i. in Verbindung mit einem Koͤrper kennen) uͤbrig bleibe, koͤnnen wir nicht ausmachen. Ein ſolches Ding iſt ein vernuͤnfteltes Weſen (ens rationis ratiocinan- tis) kein Vernunftweſen (ens rationis ratiocinatae), von welchem letzteren es doch moͤglich iſt die objective Re- alitaͤt ſeines Begrifs, wenigſtens fuͤr den practiſchen Ge- brauch der Vernunft, hinreichend darzuthun, weil die- ſer, der ſeine eigenthuͤmliche und apodictiſch gewiſſe Prin- cipien a priori hat, ihn ſogar erheiſcht (poſtulirt). 2) Gegenſtaͤnde fuͤr Begriffe, deren objective Rea- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0514" n="450"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/> ſtellt werden kann. Vernuͤnftige Bewohner anderer Pla-<lb/> neten anzunehmen, iſt eine Sache der Meynung; denn,<lb/> wenn wir dieſen naͤher kommen koͤnnten, welches an ſich<lb/> moͤglich iſt, wuͤrden wir, ob ſie ſind, oder nicht ſind,<lb/> durch Erfahrung ausmachen; aber wir werden ihnen nie-<lb/> mals ſo nahe kommen und ſo bleibt es beym Meynen.<lb/> Allein Meynen: daß es reine, ohne Koͤrper denkende<lb/> Geiſter im materiellen Univers gebe (wenn man naͤmlich<lb/> gewiſſe dafuͤr ausgegebene Erſcheinungen, wie billig, von<lb/> der Hand weiſet), heißt dichten, und iſt gar keine Sa-<lb/> che der Meynung, ſondern eine bloße Jdee, welche uͤbrig<lb/> bleibt, wenn man von einem denkenden Weſen alles Ma-<lb/> terielle wegnimmt, und ihm doch das Denken uͤbrig laͤßt.<lb/> Ob aber alsdann das Letztere (welches wir nur am Men-<lb/> ſchen, d. i. in Verbindung mit einem Koͤrper kennen) uͤbrig<lb/> bleibe, koͤnnen wir nicht ausmachen. Ein ſolches Ding<lb/> iſt ein <hi rendition="#fr">vernuͤnfteltes Weſen</hi> <hi rendition="#aq">(ens rationis ratiocinan-<lb/> tis)</hi> kein <hi rendition="#fr">Vernunftweſen</hi> <hi rendition="#aq">(ens rationis ratiocinatae),</hi><lb/> von welchem letzteren es doch moͤglich iſt die objective Re-<lb/> alitaͤt ſeines Begrifs, wenigſtens fuͤr den practiſchen Ge-<lb/> brauch der Vernunft, hinreichend darzuthun, weil die-<lb/> ſer, der ſeine eigenthuͤmliche und apodictiſch gewiſſe Prin-<lb/> cipien <hi rendition="#aq">a priori</hi> hat, ihn ſogar erheiſcht (poſtulirt).</p><lb/> <p>2) Gegenſtaͤnde fuͤr Begriffe, deren objective Rea-<lb/> litaͤt, (es ſey durch reine Vernunft, oder durch Erfah-<lb/> rung und, im erſteren Falle, aus theoretiſchen oder pra-<lb/> ctiſchen Datis derſelben, in allen Faͤllen aber vermittelſt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [450/0514]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſtellt werden kann. Vernuͤnftige Bewohner anderer Pla-
neten anzunehmen, iſt eine Sache der Meynung; denn,
wenn wir dieſen naͤher kommen koͤnnten, welches an ſich
moͤglich iſt, wuͤrden wir, ob ſie ſind, oder nicht ſind,
durch Erfahrung ausmachen; aber wir werden ihnen nie-
mals ſo nahe kommen und ſo bleibt es beym Meynen.
Allein Meynen: daß es reine, ohne Koͤrper denkende
Geiſter im materiellen Univers gebe (wenn man naͤmlich
gewiſſe dafuͤr ausgegebene Erſcheinungen, wie billig, von
der Hand weiſet), heißt dichten, und iſt gar keine Sa-
che der Meynung, ſondern eine bloße Jdee, welche uͤbrig
bleibt, wenn man von einem denkenden Weſen alles Ma-
terielle wegnimmt, und ihm doch das Denken uͤbrig laͤßt.
Ob aber alsdann das Letztere (welches wir nur am Men-
ſchen, d. i. in Verbindung mit einem Koͤrper kennen) uͤbrig
bleibe, koͤnnen wir nicht ausmachen. Ein ſolches Ding
iſt ein vernuͤnfteltes Weſen (ens rationis ratiocinan-
tis) kein Vernunftweſen (ens rationis ratiocinatae),
von welchem letzteren es doch moͤglich iſt die objective Re-
alitaͤt ſeines Begrifs, wenigſtens fuͤr den practiſchen Ge-
brauch der Vernunft, hinreichend darzuthun, weil die-
ſer, der ſeine eigenthuͤmliche und apodictiſch gewiſſe Prin-
cipien a priori hat, ihn ſogar erheiſcht (poſtulirt).
2) Gegenſtaͤnde fuͤr Begriffe, deren objective Rea-
litaͤt, (es ſey durch reine Vernunft, oder durch Erfah-
rung und, im erſteren Falle, aus theoretiſchen oder pra-
ctiſchen Datis derſelben, in allen Faͤllen aber vermittelſt
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