Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft.
schaffenheit jener sonst gänzlich für uns verborgenen We-
sen geschlossen werden kann.

Also liegt der Grund der auf dem blos theoretischen
Wege verfehlten Absicht, Gott und Unsterblichkeit zu be-
weisen, darinn: daß von dem Uebersinnlichen auf die-
sem Wege (der Naturbegriffe) gar kein Erkenntnis mög-
lich ist, und, daß es dagegen auf dem moralischen (des
Freyheitsbegrifs) gelingt, hat diesen Grund, daß hier
das Uebersinnliche, was dabey zum Grunde liegt (die
Freyheit), durch ein bestimmtes Gesetz der Causalität,
welches aus ihm entspringt nicht allein Stoff zum Er-
kenntnis des andern Uebersinnlichen (des moralischen
Endzwecks und den Bedingen seiner Ausführbarkeit)
verschaft, sondern auch als Thatsache seine Realität in
Handlungen darthut, aber eben darum auch keinen an-
dern, als nur in practischer Absicht (welche auch die ein-
zige ist, die die Religion bedarf) gültigen Beweisgrund
abgeben kann.

Es bleibt hiebey immer sehr merkwürdig: daß unter
den drey reinen Vernunftideen, Gott, Freyheit und
Unsterblichkeit, die der Freyheit der einzige Begrif
des Uebersinnlichen ist, welcher seine objective Realität
(vermittelst der Caussalität, die in ihm gedacht wird) an
der Natur, durch ihre in derselben mögliche Wirkung,
beweiset und eben dadurch die Verknüpfung der beyden
andern mit der Natur, aller dreyer aber unter einander
zu einer Religion möglich macht und daß wir also in

II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſchaffenheit jener ſonſt gaͤnzlich fuͤr uns verborgenen We-
ſen geſchloſſen werden kann.

Alſo liegt der Grund der auf dem blos theoretiſchen
Wege verfehlten Abſicht, Gott und Unſterblichkeit zu be-
weiſen, darinn: daß von dem Ueberſinnlichen auf die-
ſem Wege (der Naturbegriffe) gar kein Erkenntnis moͤg-
lich iſt, und, daß es dagegen auf dem moraliſchen (des
Freyheitsbegrifs) gelingt, hat dieſen Grund, daß hier
das Ueberſinnliche, was dabey zum Grunde liegt (die
Freyheit), durch ein beſtimmtes Geſetz der Cauſalitaͤt,
welches aus ihm entſpringt nicht allein Stoff zum Er-
kenntnis des andern Ueberſinnlichen (des moraliſchen
Endzwecks und den Bedingen ſeiner Ausfuͤhrbarkeit)
verſchaft, ſondern auch als Thatſache ſeine Realitaͤt in
Handlungen darthut, aber eben darum auch keinen an-
dern, als nur in practiſcher Abſicht (welche auch die ein-
zige iſt, die die Religion bedarf) guͤltigen Beweisgrund
abgeben kann.

Es bleibt hiebey immer ſehr merkwuͤrdig: daß unter
den drey reinen Vernunftideen, Gott, Freyheit und
Unſterblichkeit, die der Freyheit der einzige Begrif
des Ueberſinnlichen iſt, welcher ſeine objective Realitaͤt
(vermittelſt der Cauſſalitaͤt, die in ihm gedacht wird) an
der Natur, durch ihre in derſelben moͤgliche Wirkung,
beweiſet und eben dadurch die Verknuͤpfung der beyden
andern mit der Natur, aller dreyer aber unter einander
zu einer Religion moͤglich macht und daß wir alſo in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0525" n="461"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologi&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
&#x017F;chaffenheit jener &#x017F;on&#x017F;t ga&#x0364;nzlich fu&#x0364;r uns verborgenen We-<lb/>
&#x017F;en ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden kann.</p><lb/>
              <p>Al&#x017F;o liegt der Grund der auf dem blos theoreti&#x017F;chen<lb/>
Wege verfehlten Ab&#x017F;icht, Gott und Un&#x017F;terblichkeit zu be-<lb/>
wei&#x017F;en, darinn: daß von dem Ueber&#x017F;innlichen auf die-<lb/>
&#x017F;em Wege (der Naturbegriffe) gar kein Erkenntnis mo&#x0364;g-<lb/>
lich i&#x017F;t, und, daß es dagegen auf dem morali&#x017F;chen (des<lb/>
Freyheitsbegrifs) gelingt, hat die&#x017F;en Grund, daß hier<lb/>
das Ueber&#x017F;innliche, was dabey zum Grunde liegt (die<lb/>
Freyheit), durch ein be&#x017F;timmtes Ge&#x017F;etz der Cau&#x017F;alita&#x0364;t,<lb/>
welches aus ihm ent&#x017F;pringt nicht allein Stoff zum Er-<lb/>
kenntnis des andern Ueber&#x017F;innlichen (des morali&#x017F;chen<lb/>
Endzwecks und den Bedingen &#x017F;einer Ausfu&#x0364;hrbarkeit)<lb/>
ver&#x017F;chaft, &#x017F;ondern auch als That&#x017F;ache &#x017F;eine Realita&#x0364;t in<lb/>
Handlungen darthut, aber eben darum auch keinen an-<lb/>
dern, als nur in practi&#x017F;cher Ab&#x017F;icht (welche auch die ein-<lb/>
zige i&#x017F;t, die die Religion bedarf) gu&#x0364;ltigen Beweisgrund<lb/>
abgeben kann.</p><lb/>
              <p>Es bleibt hiebey immer &#x017F;ehr merkwu&#x0364;rdig: daß unter<lb/>
den drey reinen Vernunftideen, <hi rendition="#fr">Gott, Freyheit</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Un&#x017F;terblichkeit</hi>, die der Freyheit der einzige Begrif<lb/>
des Ueber&#x017F;innlichen i&#x017F;t, welcher &#x017F;eine objective Realita&#x0364;t<lb/>
(vermittel&#x017F;t der Cau&#x017F;&#x017F;alita&#x0364;t, die in ihm gedacht wird) an<lb/>
der Natur, durch ihre in der&#x017F;elben mo&#x0364;gliche Wirkung,<lb/>
bewei&#x017F;et und eben dadurch die Verknu&#x0364;pfung der beyden<lb/>
andern mit der Natur, aller dreyer aber unter einander<lb/>
zu einer Religion mo&#x0364;glich macht und daß wir al&#x017F;o in<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0525] II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. ſchaffenheit jener ſonſt gaͤnzlich fuͤr uns verborgenen We- ſen geſchloſſen werden kann. Alſo liegt der Grund der auf dem blos theoretiſchen Wege verfehlten Abſicht, Gott und Unſterblichkeit zu be- weiſen, darinn: daß von dem Ueberſinnlichen auf die- ſem Wege (der Naturbegriffe) gar kein Erkenntnis moͤg- lich iſt, und, daß es dagegen auf dem moraliſchen (des Freyheitsbegrifs) gelingt, hat dieſen Grund, daß hier das Ueberſinnliche, was dabey zum Grunde liegt (die Freyheit), durch ein beſtimmtes Geſetz der Cauſalitaͤt, welches aus ihm entſpringt nicht allein Stoff zum Er- kenntnis des andern Ueberſinnlichen (des moraliſchen Endzwecks und den Bedingen ſeiner Ausfuͤhrbarkeit) verſchaft, ſondern auch als Thatſache ſeine Realitaͤt in Handlungen darthut, aber eben darum auch keinen an- dern, als nur in practiſcher Abſicht (welche auch die ein- zige iſt, die die Religion bedarf) guͤltigen Beweisgrund abgeben kann. Es bleibt hiebey immer ſehr merkwuͤrdig: daß unter den drey reinen Vernunftideen, Gott, Freyheit und Unſterblichkeit, die der Freyheit der einzige Begrif des Ueberſinnlichen iſt, welcher ſeine objective Realitaͤt (vermittelſt der Cauſſalitaͤt, die in ihm gedacht wird) an der Natur, durch ihre in derſelben moͤgliche Wirkung, beweiſet und eben dadurch die Verknuͤpfung der beyden andern mit der Natur, aller dreyer aber unter einander zu einer Religion moͤglich macht und daß wir alſo in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/525
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/525>, abgerufen am 04.12.2024.