Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
die gegebene Vorstellung im Subjecte gegen das ganze
Vermögen der Vorstellungen hält, dessen sich das Ge-
müth im Gefühl seines Zustandes bewußt wird. Gege-
bene Vorstellungen in einem Urtheile können empirisch
(mithin ästhetisch) seyn, das Urtheil aber, das durch
sie gefällt wird, ist logisch, wenn jene nur im Urtheile
aufs Object bezogen werden. Umgekehrt aber, wenn
die gegebenen Vorstellungen gar rational wären, wür-
den aber in einem Urtheile lediglich aufs Subject (sein
Gefühl) bezogen, so sind sie sofern jederzeit ästhetisch.

§. 2.
Das Wohlgefallen, welches das Geschmacks-
urtheil bestimmt, ist ohne alles Jnteresse
.

Jnteresse wird das Wohlgefallen genannt, was wir
mit der Vorstellung der Existenz eines Gegenstandes ver-
binden. Ein solches hat daher immer zugleich Beziehung
aufs Begehrungsvermögen, entweder als Bestimmungs-
grund desselben, oder doch als mit dem Bestimmungs-
grunde desselben nothwendig zusammenhängend. Nun
will man aber, wenn die Frage ist, ob etwas schön sey,
nicht wissen, ob uns, oder irgend jemand, an der Exi-
stenz der Sache irgend etwas gelegen sey, oder auch nur
gelegen seyn könne, sondern wie wir sie in der bloßen
Betrachtung (Anschauung oder Reflexion) beurtheilen.
Wenn mich jemand frägt, ob ich den Pallast, den ich

A 3

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
die gegebene Vorſtellung im Subjecte gegen das ganze
Vermoͤgen der Vorſtellungen haͤlt, deſſen ſich das Ge-
muͤth im Gefuͤhl ſeines Zuſtandes bewußt wird. Gege-
bene Vorſtellungen in einem Urtheile koͤnnen empiriſch
(mithin aͤſthetiſch) ſeyn, das Urtheil aber, das durch
ſie gefaͤllt wird, iſt logiſch, wenn jene nur im Urtheile
aufs Object bezogen werden. Umgekehrt aber, wenn
die gegebenen Vorſtellungen gar rational waͤren, wuͤr-
den aber in einem Urtheile lediglich aufs Subject (ſein
Gefuͤhl) bezogen, ſo ſind ſie ſofern jederzeit aͤſthetiſch.

§. 2.
Das Wohlgefallen, welches das Geſchmacks-
urtheil beſtimmt, iſt ohne alles Jntereſſe
.

Jntereſſe wird das Wohlgefallen genannt, was wir
mit der Vorſtellung der Exiſtenz eines Gegenſtandes ver-
binden. Ein ſolches hat daher immer zugleich Beziehung
aufs Begehrungsvermoͤgen, entweder als Beſtimmungs-
grund deſſelben, oder doch als mit dem Beſtimmungs-
grunde deſſelben nothwendig zuſammenhaͤngend. Nun
will man aber, wenn die Frage iſt, ob etwas ſchoͤn ſey,
nicht wiſſen, ob uns, oder irgend jemand, an der Exi-
ſtenz der Sache irgend etwas gelegen ſey, oder auch nur
gelegen ſeyn koͤnne, ſondern wie wir ſie in der bloßen
Betrachtung (Anſchauung oder Reflexion) beurtheilen.
Wenn mich jemand fraͤgt, ob ich den Pallaſt, den ich

A 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0069" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/>
die gegebene Vor&#x017F;tellung im Subjecte gegen das ganze<lb/>
Vermo&#x0364;gen der Vor&#x017F;tellungen ha&#x0364;lt, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich das Ge-<lb/>
mu&#x0364;th im Gefu&#x0364;hl &#x017F;eines Zu&#x017F;tandes bewußt wird. Gege-<lb/>
bene Vor&#x017F;tellungen in einem Urtheile ko&#x0364;nnen empiri&#x017F;ch<lb/>
(mithin a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;ch) &#x017F;eyn, das Urtheil aber, das durch<lb/>
&#x017F;ie gefa&#x0364;llt wird, i&#x017F;t logi&#x017F;ch, wenn jene nur im Urtheile<lb/>
aufs Object bezogen werden. Umgekehrt aber, wenn<lb/>
die gegebenen Vor&#x017F;tellungen gar rational wa&#x0364;ren, wu&#x0364;r-<lb/>
den aber in einem Urtheile lediglich aufs Subject (&#x017F;ein<lb/>
Gefu&#x0364;hl) bezogen, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;ofern jederzeit a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;ch.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head><hi rendition="#b">§. 2.<lb/>
Das Wohlgefallen, welches das Ge&#x017F;chmacks-<lb/>
urtheil be&#x017F;timmt, i&#x017F;t ohne alles Jntere&#x017F;&#x017F;e</hi>.</head><lb/>
                <p>Jntere&#x017F;&#x017F;e wird das Wohlgefallen genannt, was wir<lb/>
mit der Vor&#x017F;tellung der Exi&#x017F;tenz eines Gegen&#x017F;tandes ver-<lb/>
binden. Ein &#x017F;olches hat daher immer zugleich Beziehung<lb/>
aufs Begehrungsvermo&#x0364;gen, entweder als Be&#x017F;timmungs-<lb/>
grund de&#x017F;&#x017F;elben, oder doch als mit dem Be&#x017F;timmungs-<lb/>
grunde de&#x017F;&#x017F;elben nothwendig zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngend. Nun<lb/>
will man aber, wenn die Frage i&#x017F;t, ob etwas &#x017F;cho&#x0364;n &#x017F;ey,<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en, ob uns, oder irgend jemand, an der Exi-<lb/>
&#x017F;tenz der Sache irgend etwas gelegen &#x017F;ey, oder auch nur<lb/>
gelegen &#x017F;eyn ko&#x0364;nne, &#x017F;ondern wie wir &#x017F;ie in der bloßen<lb/>
Betrachtung (An&#x017F;chauung oder Reflexion) beurtheilen.<lb/>
Wenn mich jemand fra&#x0364;gt, ob ich den Palla&#x017F;t, den ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0069] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. die gegebene Vorſtellung im Subjecte gegen das ganze Vermoͤgen der Vorſtellungen haͤlt, deſſen ſich das Ge- muͤth im Gefuͤhl ſeines Zuſtandes bewußt wird. Gege- bene Vorſtellungen in einem Urtheile koͤnnen empiriſch (mithin aͤſthetiſch) ſeyn, das Urtheil aber, das durch ſie gefaͤllt wird, iſt logiſch, wenn jene nur im Urtheile aufs Object bezogen werden. Umgekehrt aber, wenn die gegebenen Vorſtellungen gar rational waͤren, wuͤr- den aber in einem Urtheile lediglich aufs Subject (ſein Gefuͤhl) bezogen, ſo ſind ſie ſofern jederzeit aͤſthetiſch. §. 2. Das Wohlgefallen, welches das Geſchmacks- urtheil beſtimmt, iſt ohne alles Jntereſſe. Jntereſſe wird das Wohlgefallen genannt, was wir mit der Vorſtellung der Exiſtenz eines Gegenſtandes ver- binden. Ein ſolches hat daher immer zugleich Beziehung aufs Begehrungsvermoͤgen, entweder als Beſtimmungs- grund deſſelben, oder doch als mit dem Beſtimmungs- grunde deſſelben nothwendig zuſammenhaͤngend. Nun will man aber, wenn die Frage iſt, ob etwas ſchoͤn ſey, nicht wiſſen, ob uns, oder irgend jemand, an der Exi- ſtenz der Sache irgend etwas gelegen ſey, oder auch nur gelegen ſeyn koͤnne, ſondern wie wir ſie in der bloßen Betrachtung (Anſchauung oder Reflexion) beurtheilen. Wenn mich jemand fraͤgt, ob ich den Pallaſt, den ich A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/69
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/69>, abgerufen am 04.12.2024.