Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. Critik der ästhetischen Urtheilskraft.
nexus finalis) zum Grunde legen, wenigstens beobachten
und an Gegenständen, wiewohl nicht anders als durch
Reflexion, bemerken.

§. 11.
Das Geschmacksurtheil hat nichts als die
Form der Zweckmäßigkeit eines Gegen-
standes (oder Vorstellungsart desselben)
zum Grunde.

Aller Zweck, wenn er als Grund des Wohlgefal-
lens angesehen wird, führt immer ein Jnteresse, als
Bestimmungsgrund des Urtheils über den Gegenstand
der Lust, bey sich. Also kann dem Geschmacksurtheil
kein subjectiver Zweck zum Grunde liegen. Aber auch
keine Vorstellung eines objectiven Zwecks, d. i. der Mög-
lichkeit des Gegenstandes selbst nach Principien der Zweck-
verbindung, mithin kein Begrif des Guten kann das Ge-
schmacksurtheil bestimmen; weil es ein ästhetisches und
kein Erkenntnisurtheil ist, welches also keinen Begrif
von der Beschaffenheit und innern oder äußern Möglich-
keit des Gegenstandes, durch diese oder jene Ursache,
sondern blos das Verhältnis der Vorstellungskräfte zu
einander, sofern sie durch eine Vorstellung bestimmt wer-
den, betrift.

Nun ist dieses Verhältnis in der Bestimmung eines
Gegenstandes, als eines Schönen, mit dem Gefühle ei-
ner Lust verbunden, die durchs Geschmacksurtheil zu-

I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
nexus finalis) zum Grunde legen, wenigſtens beobachten
und an Gegenſtaͤnden, wiewohl nicht anders als durch
Reflexion, bemerken.

§. 11.
Das Geſchmacksurtheil hat nichts als die
Form der Zweckmaͤßigkeit eines Gegen-
ſtandes (oder Vorſtellungsart deſſelben)
zum Grunde.

Aller Zweck, wenn er als Grund des Wohlgefal-
lens angeſehen wird, fuͤhrt immer ein Jntereſſe, als
Beſtimmungsgrund des Urtheils uͤber den Gegenſtand
der Luſt, bey ſich. Alſo kann dem Geſchmacksurtheil
kein ſubjectiver Zweck zum Grunde liegen. Aber auch
keine Vorſtellung eines objectiven Zwecks, d. i. der Moͤg-
lichkeit des Gegenſtandes ſelbſt nach Principien der Zweck-
verbindung, mithin kein Begrif des Guten kann das Ge-
ſchmacksurtheil beſtimmen; weil es ein aͤſthetiſches und
kein Erkenntnisurtheil iſt, welches alſo keinen Begrif
von der Beſchaffenheit und innern oder aͤußern Moͤglich-
keit des Gegenſtandes, durch dieſe oder jene Urſache,
ſondern blos das Verhaͤltnis der Vorſtellungskraͤfte zu
einander, ſofern ſie durch eine Vorſtellung beſtimmt wer-
den, betrift.

Nun iſt dieſes Verhaͤltnis in der Beſtimmung eines
Gegenſtandes, als eines Schoͤnen, mit dem Gefuͤhle ei-
ner Luſt verbunden, die durchs Geſchmacksurtheil zu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0098" n="34"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Critik der a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;chen Urtheilskraft.</fw><lb/><hi rendition="#aq">nexus finalis</hi>) zum Grunde legen, wenig&#x017F;tens beobachten<lb/>
und an Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden, wiewohl nicht anders als durch<lb/>
Reflexion, bemerken.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head> <hi rendition="#b">§. 11.<lb/>
Das Ge&#x017F;chmacksurtheil hat nichts als die<lb/>
Form der Zweckma&#x0364;ßigkeit eines Gegen-<lb/>
&#x017F;tandes (oder Vor&#x017F;tellungsart de&#x017F;&#x017F;elben)<lb/>
zum Grunde.</hi> </head><lb/>
                <p>Aller Zweck, wenn er als Grund des Wohlgefal-<lb/>
lens ange&#x017F;ehen wird, fu&#x0364;hrt immer ein Jntere&#x017F;&#x017F;e, als<lb/>
Be&#x017F;timmungsgrund des Urtheils u&#x0364;ber den Gegen&#x017F;tand<lb/>
der Lu&#x017F;t, bey &#x017F;ich. Al&#x017F;o kann dem Ge&#x017F;chmacksurtheil<lb/>
kein &#x017F;ubjectiver Zweck zum Grunde liegen. Aber auch<lb/>
keine Vor&#x017F;tellung eines objectiven Zwecks, d. i. der Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit des Gegen&#x017F;tandes &#x017F;elb&#x017F;t nach Principien der Zweck-<lb/>
verbindung, mithin kein Begrif des Guten kann das Ge-<lb/>
&#x017F;chmacksurtheil be&#x017F;timmen; weil es ein a&#x0364;&#x017F;theti&#x017F;ches und<lb/>
kein Erkenntnisurtheil i&#x017F;t, welches al&#x017F;o keinen <hi rendition="#fr">Begrif</hi><lb/>
von der Be&#x017F;chaffenheit und innern oder a&#x0364;ußern Mo&#x0364;glich-<lb/>
keit des Gegen&#x017F;tandes, durch die&#x017F;e oder jene Ur&#x017F;ache,<lb/>
&#x017F;ondern blos das Verha&#x0364;ltnis der Vor&#x017F;tellungskra&#x0364;fte zu<lb/>
einander, &#x017F;ofern &#x017F;ie durch eine Vor&#x017F;tellung be&#x017F;timmt wer-<lb/>
den, betrift.</p><lb/>
                <p>Nun i&#x017F;t die&#x017F;es Verha&#x0364;ltnis in der Be&#x017F;timmung eines<lb/>
Gegen&#x017F;tandes, als eines Scho&#x0364;nen, mit dem Gefu&#x0364;hle ei-<lb/>
ner Lu&#x017F;t verbunden, die durchs Ge&#x017F;chmacksurtheil zu-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0098] I. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft. nexus finalis) zum Grunde legen, wenigſtens beobachten und an Gegenſtaͤnden, wiewohl nicht anders als durch Reflexion, bemerken. §. 11. Das Geſchmacksurtheil hat nichts als die Form der Zweckmaͤßigkeit eines Gegen- ſtandes (oder Vorſtellungsart deſſelben) zum Grunde. Aller Zweck, wenn er als Grund des Wohlgefal- lens angeſehen wird, fuͤhrt immer ein Jntereſſe, als Beſtimmungsgrund des Urtheils uͤber den Gegenſtand der Luſt, bey ſich. Alſo kann dem Geſchmacksurtheil kein ſubjectiver Zweck zum Grunde liegen. Aber auch keine Vorſtellung eines objectiven Zwecks, d. i. der Moͤg- lichkeit des Gegenſtandes ſelbſt nach Principien der Zweck- verbindung, mithin kein Begrif des Guten kann das Ge- ſchmacksurtheil beſtimmen; weil es ein aͤſthetiſches und kein Erkenntnisurtheil iſt, welches alſo keinen Begrif von der Beſchaffenheit und innern oder aͤußern Moͤglich- keit des Gegenſtandes, durch dieſe oder jene Urſache, ſondern blos das Verhaͤltnis der Vorſtellungskraͤfte zu einander, ſofern ſie durch eine Vorſtellung beſtimmt wer- den, betrift. Nun iſt dieſes Verhaͤltnis in der Beſtimmung eines Gegenſtandes, als eines Schoͤnen, mit dem Gefuͤhle ei- ner Luſt verbunden, die durchs Geſchmacksurtheil zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/98
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/98>, abgerufen am 04.12.2024.