Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Vorrede. einsamen Stunden von irgend einem Ge-genstand lebhaft gerührt wird, so wird ihr Geist plötzlich erhitzt; sie besitzt sich nicht mehr, jede Triebfeder der Seele wird rege, sie fühlt einen unwiderstehlichen Trieb zum Dichten, und schreibet das Lied, welches ihr die Muse eingiebt, mit bewundrungs- würdiger Geschwindigkeit. Gleich einer Uhr, die ohne fernere Hülfe ihren richtigen Gang fortschreitet, so bald die Feder ge- spannt ist, singt sie, sich selbst unbewußt, wie die Gedanken und Bilder in ihr ent- stehen, so bald die Seele durch die erste Vorstellung in Würksamkeit gebracht wor- den. Auch die feinere Beobachtung des Plato, daß die Harmonie und der Gang Vorrede. einſamen Stunden von irgend einem Ge-genſtand lebhaft geruͤhrt wird, ſo wird ihr Geiſt ploͤtzlich erhitzt; ſie beſitzt ſich nicht mehr, jede Triebfeder der Seele wird rege, ſie fuͤhlt einen unwiderſtehlichen Trieb zum Dichten, und ſchreibet das Lied, welches ihr die Muſe eingiebt, mit bewundrungs- wuͤrdiger Geſchwindigkeit. Gleich einer Uhr, die ohne fernere Huͤlfe ihren richtigen Gang fortſchreitet, ſo bald die Feder ge- ſpannt iſt, ſingt ſie, ſich ſelbſt unbewußt, wie die Gedanken und Bilder in ihr ent- ſtehen, ſo bald die Seele durch die erſte Vorſtellung in Wuͤrkſamkeit gebracht wor- den. Auch die feinere Beobachtung des Plato, daß die Harmonie und der Gang <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="X"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> einſamen Stunden von irgend einem Ge-<lb/> genſtand lebhaft geruͤhrt wird, ſo wird ihr<lb/> Geiſt ploͤtzlich erhitzt; ſie beſitzt ſich nicht<lb/> mehr, jede Triebfeder der Seele wird rege,<lb/> ſie fuͤhlt einen unwiderſtehlichen Trieb zum<lb/> Dichten, und ſchreibet das Lied, welches<lb/> ihr die Muſe eingiebt, mit bewundrungs-<lb/> wuͤrdiger Geſchwindigkeit. Gleich einer<lb/> Uhr, die ohne fernere Huͤlfe ihren richtigen<lb/> Gang fortſchreitet, ſo bald die Feder ge-<lb/> ſpannt iſt, ſingt ſie, ſich ſelbſt unbewußt,<lb/> wie die Gedanken und Bilder in ihr ent-<lb/> ſtehen, ſo bald die Seele durch die erſte<lb/> Vorſtellung in Wuͤrkſamkeit gebracht wor-<lb/> den. Auch die feinere Beobachtung des<lb/><hi rendition="#fr">Plato,</hi> daß die Harmonie und der Gang<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [X/0014]
Vorrede.
einſamen Stunden von irgend einem Ge-
genſtand lebhaft geruͤhrt wird, ſo wird ihr
Geiſt ploͤtzlich erhitzt; ſie beſitzt ſich nicht
mehr, jede Triebfeder der Seele wird rege,
ſie fuͤhlt einen unwiderſtehlichen Trieb zum
Dichten, und ſchreibet das Lied, welches
ihr die Muſe eingiebt, mit bewundrungs-
wuͤrdiger Geſchwindigkeit. Gleich einer
Uhr, die ohne fernere Huͤlfe ihren richtigen
Gang fortſchreitet, ſo bald die Feder ge-
ſpannt iſt, ſingt ſie, ſich ſelbſt unbewußt,
wie die Gedanken und Bilder in ihr ent-
ſtehen, ſo bald die Seele durch die erſte
Vorſtellung in Wuͤrkſamkeit gebracht wor-
den. Auch die feinere Beobachtung des
Plato, daß die Harmonie und der Gang
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