Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Viertes Buch. Dort stützt ein Mann, die lahmgebliebne Rechte Und krumme Schenkel, an ein Holz. Er schleicht und denkt sich noch das schreckliche Gefechte Und ist auf Narben stolz. O Freund! ein Weib trägt voller Eymer Lasten; Sie steigt am Ufer auf, und keucht. Ich leb im Ueberfluß, und ganze Tage fasten Muß sie; und ach! vielleicht Fiel in der Schlacht ihr bester Freund, und Kinder Ein traurig Denkmahl! ließ er hier! Nie macht die stille Nacht den Gram des Herzens minder Er schlummert nicht in ihr! Auch ich gieng einst in abgetragner Hülle, Und Kinder stammelten um Brod. Mit Seufzern unterbrach ich nächtlich meine Stille Und träumte Morgen-Noth. O 4
Viertes Buch. Dort ſtuͤtzt ein Mann, die lahmgebliebne Rechte Und krumme Schenkel, an ein Holz. Er ſchleicht und denkt ſich noch das ſchreckliche Gefechte Und iſt auf Narben ſtolz. O Freund! ein Weib traͤgt voller Eymer Laſten; Sie ſteigt am Ufer auf, und keucht. Ich leb im Ueberfluß, und ganze Tage faſten Muß ſie; und ach! vielleicht Fiel in der Schlacht ihr beſter Freund, und Kinder Ein traurig Denkmahl! ließ er hier! Nie macht die ſtille Nacht den Gram des Herzens minder Er ſchlummert nicht in ihr! Auch ich gieng einſt in abgetragner Huͤlle, Und Kinder ſtammelten um Brod. Mit Seufzern unterbrach ich naͤchtlich meine Stille Und traͤumte Morgen-Noth. O 4
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Viertes Buch.
Dort ſtuͤtzt ein Mann, die lahmgebliebne Rechte
Und krumme Schenkel, an ein Holz.
Er ſchleicht und denkt ſich noch das ſchreckliche Gefechte
Und iſt auf Narben ſtolz.
O Freund! ein Weib traͤgt voller Eymer Laſten;
Sie ſteigt am Ufer auf, und keucht.
Ich leb im Ueberfluß, und ganze Tage faſten
Muß ſie; und ach! vielleicht
Fiel in der Schlacht ihr beſter Freund, und Kinder
Ein traurig Denkmahl! ließ er hier!
Nie macht die ſtille Nacht den Gram des Herzens minder
Er ſchlummert nicht in ihr!
Auch ich gieng einſt in abgetragner Huͤlle,
Und Kinder ſtammelten um Brod.
Mit Seufzern unterbrach ich naͤchtlich meine Stille
Und traͤumte Morgen-Noth.
O 4
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