Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Oden. Bey der Geburt des Wuchrers lacht Der Geiz, und schreckt mit Hohn die Wollust von der Wiege Und giebt mit schielen Blicken acht Wo Gold für seine Hände liege? Den Dummkopf drückt die Trägheit an Mit weichem Arm und spricht bey seiner ersten Thräne: Sey ruhig werd ein fetter Mann, Und über Glück und Unglück gähne! Der Neidische kommt auf die Welt Mit Blicken um sich her als wollt er trotzig wissen: Warums der Mutter noch gefällt Den Vater mehr als ihn zu küssen! O Muse, frag die Gottheit nicht Warum sie alle die herab zur Erde schickte Nein singe nur: Wem Sonnen-Licht Der Tugend, aus den Augen blickte! Oden. Bey der Geburt des Wuchrers lacht Der Geiz, und ſchreckt mit Hohn die Wolluſt von der Wiege Und giebt mit ſchielen Blicken acht Wo Gold fuͤr ſeine Haͤnde liege? Den Dummkopf druͤckt die Traͤgheit an Mit weichem Arm und ſpricht bey ſeiner erſten Thraͤne: Sey ruhig werd ein fetter Mann, Und uͤber Gluͤck und Ungluͤck gaͤhne! Der Neidiſche kommt auf die Welt Mit Blicken um ſich her als wollt er trotzig wiſſen: Warums der Mutter noch gefaͤllt Den Vater mehr als ihn zu kuͤſſen! O Muſe, frag die Gottheit nicht Warum ſie alle die herab zur Erde ſchickte Nein ſinge nur: Wem Sonnen-Licht Der Tugend, aus den Augen blickte! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0266" n="222"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Oden.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem" n="3"> <l>Bey der Geburt des Wuchrers lacht<lb/> Der Geiz, und ſchreckt mit Hohn die Wolluſt von der<lb/><hi rendition="#et">Wiege</hi><lb/> Und giebt mit ſchielen Blicken acht<lb/> Wo Gold fuͤr ſeine Haͤnde liege?</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="4"> <l>Den Dummkopf druͤckt die Traͤgheit an<lb/> Mit weichem Arm und ſpricht bey ſeiner erſten<lb/><hi rendition="#et">Thraͤne:</hi><lb/> Sey ruhig werd ein fetter Mann,<lb/> Und uͤber Gluͤck und Ungluͤck gaͤhne!</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="5"> <l>Der Neidiſche kommt auf die Welt<lb/> Mit Blicken um ſich her als wollt er trotzig wiſſen:<lb/> Warums der Mutter noch gefaͤllt<lb/> Den Vater mehr als ihn zu kuͤſſen!</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="6"> <l>O Muſe, frag die Gottheit nicht<lb/> Warum ſie alle die herab zur Erde ſchickte<lb/> Nein ſinge nur: Wem Sonnen-Licht<lb/> Der Tugend, aus den Augen blickte!</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [222/0266]
Oden.
Bey der Geburt des Wuchrers lacht
Der Geiz, und ſchreckt mit Hohn die Wolluſt von der
Wiege
Und giebt mit ſchielen Blicken acht
Wo Gold fuͤr ſeine Haͤnde liege?
Den Dummkopf druͤckt die Traͤgheit an
Mit weichem Arm und ſpricht bey ſeiner erſten
Thraͤne:
Sey ruhig werd ein fetter Mann,
Und uͤber Gluͤck und Ungluͤck gaͤhne!
Der Neidiſche kommt auf die Welt
Mit Blicken um ſich her als wollt er trotzig wiſſen:
Warums der Mutter noch gefaͤllt
Den Vater mehr als ihn zu kuͤſſen!
O Muſe, frag die Gottheit nicht
Warum ſie alle die herab zur Erde ſchickte
Nein ſinge nur: Wem Sonnen-Licht
Der Tugend, aus den Augen blickte!
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