Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Viertes Buch. Habe Mitleid! Nimm itzt deinen Köcher, Göttern ziemet ja das Amt der Rächer Und dein Bogen ist zur Rache stark! Eile, räche mich! ach! Amor eile Nicht allein die Spitze von dem Pfeile, Gluth in mir verzehret Blut und Mark! Jener Phaon mit den feuervollen Schwarzen Augen, die mich tödten wollen Und mit einem Munde rosenweich, Findet Wollust in der Kunst zu quälen. Zwölf betrübte Tage muß ich zählen Jeder ist den Erndte-Tagen gleich. O du kennst die Thäler, wo er gehet, Dort, wo deiner Mutter Bildniß stehet In dem Palmen-Hayn, da wandelt er! Such ihn unter dickbelaubten Eichen, Und will er zu Rosenhecken weichen, Flattre um ihn, wie ein Vogel her. Viertes Buch. Habe Mitleid! Nimm itzt deinen Koͤcher, Goͤttern ziemet ja das Amt der Raͤcher Und dein Bogen iſt zur Rache ſtark! Eile, raͤche mich! ach! Amor eile Nicht allein die Spitze von dem Pfeile, Gluth in mir verzehret Blut und Mark! Jener Phaon mit den feuervollen Schwarzen Augen, die mich toͤdten wollen Und mit einem Munde roſenweich, Findet Wolluſt in der Kunſt zu quaͤlen. Zwoͤlf betruͤbte Tage muß ich zaͤhlen Jeder iſt den Erndte-Tagen gleich. O du kennſt die Thaͤler, wo er gehet, Dort, wo deiner Mutter Bildniß ſtehet In dem Palmen-Hayn, da wandelt er! Such ihn unter dickbelaubten Eichen, Und will er zu Roſenhecken weichen, Flattre um ihn, wie ein Vogel her. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0297" n="253"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Viertes Buch.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem" n="1"> <l>Habe Mitleid! Nimm itzt deinen Koͤcher,<lb/> Goͤttern ziemet ja das Amt der Raͤcher<lb/> Und dein Bogen iſt zur Rache ſtark!<lb/> Eile, raͤche mich! ach! Amor eile<lb/> Nicht allein die Spitze von dem Pfeile,<lb/> Gluth in mir verzehret Blut und Mark!</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="2"> <l>Jener Phaon mit den feuervollen<lb/> Schwarzen Augen, die mich toͤdten wollen<lb/> Und mit einem Munde roſenweich,<lb/> Findet Wolluſt in der Kunſt zu quaͤlen.<lb/> Zwoͤlf betruͤbte Tage muß ich zaͤhlen<lb/> Jeder iſt den Erndte-Tagen gleich.</l> </lg><lb/> <lg type="poem" n="3"> <l>O du kennſt die Thaͤler, wo er gehet,<lb/> Dort, wo deiner Mutter Bildniß ſtehet<lb/> In dem Palmen-Hayn, da wandelt er!<lb/> Such ihn unter dickbelaubten Eichen,<lb/> Und will er zu Roſenhecken weichen,<lb/> Flattre um ihn, wie ein Vogel her.</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0297]
Viertes Buch.
Habe Mitleid! Nimm itzt deinen Koͤcher,
Goͤttern ziemet ja das Amt der Raͤcher
Und dein Bogen iſt zur Rache ſtark!
Eile, raͤche mich! ach! Amor eile
Nicht allein die Spitze von dem Pfeile,
Gluth in mir verzehret Blut und Mark!
Jener Phaon mit den feuervollen
Schwarzen Augen, die mich toͤdten wollen
Und mit einem Munde roſenweich,
Findet Wolluſt in der Kunſt zu quaͤlen.
Zwoͤlf betruͤbte Tage muß ich zaͤhlen
Jeder iſt den Erndte-Tagen gleich.
O du kennſt die Thaͤler, wo er gehet,
Dort, wo deiner Mutter Bildniß ſtehet
In dem Palmen-Hayn, da wandelt er!
Such ihn unter dickbelaubten Eichen,
Und will er zu Roſenhecken weichen,
Flattre um ihn, wie ein Vogel her.
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