Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Buch.
An Mademoiselle W. Buchholz,
auf ihren Geburtstag.



Du aus den Händen der Natur,
Zu ihrem Ruhm hervorgegangne Schöne!
Jetzt singet, auf der arm gewordnen Flur,
Nicht mehr die Lerche. Jetzt verlernt die Thöne
Selbst deiner Schwester Nachtigall. Sie schweigt
In ihrem melancholischen Gehäuse;
Tief denkend sitzt sie da -- so sitzet oft der Weise,
Der Menschenfreund, wenn fremde Noth ihn beugt,
Wenn drückend Elend kommt mit jung gewordnen
Tagen,
Wenn durch das Vaterland die lautgestöhnten Klagen
Erschallen allgemein: Dann sitzet traurig er,
Verstummt von Schmerz, und blickt umher,
Ob aufgeklärtre Tage kommen --
Du holdes Mädchen, von zwey Frommen,
Erſtes Buch.
An Mademoiſelle W. Buchholz,
auf ihren Geburtstag.



Du aus den Haͤnden der Natur,
Zu ihrem Ruhm hervorgegangne Schoͤne!
Jetzt ſinget, auf der arm gewordnen Flur,
Nicht mehr die Lerche. Jetzt verlernt die Thoͤne
Selbſt deiner Schweſter Nachtigall. Sie ſchweigt
In ihrem melancholiſchen Gehaͤuſe;
Tief denkend ſitzt ſie da — ſo ſitzet oft der Weiſe,
Der Menſchenfreund, wenn fremde Noth ihn beugt,
Wenn druͤckend Elend kommt mit jung gewordnen
Tagen,
Wenn durch das Vaterland die lautgeſtoͤhnten Klagen
Erſchallen allgemein: Dann ſitzet traurig er,
Verſtummt von Schmerz, und blickt umher,
Ob aufgeklaͤrtre Tage kommen —
Du holdes Maͤdchen, von zwey Frommen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0345" n="301"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">An Mademoi&#x017F;elle W. Buchholz,</hi><lb/>
auf ihren Geburtstag.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#c">(Den 30ten des Wintermonaths 1761.)</hi> </dateline><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem" n="26">
            <l>Du aus den Ha&#x0364;nden der Natur,<lb/>
Zu ihrem Ruhm hervorgegangne Scho&#x0364;ne!<lb/>
Jetzt &#x017F;inget, auf der arm gewordnen Flur,<lb/>
Nicht mehr die Lerche. Jetzt verlernt die Tho&#x0364;ne<lb/>
Selb&#x017F;t deiner Schwe&#x017F;ter Nachtigall. Sie &#x017F;chweigt<lb/>
In ihrem melancholi&#x017F;chen Geha&#x0364;u&#x017F;e;<lb/>
Tief denkend &#x017F;itzt &#x017F;ie da &#x2014; &#x017F;o &#x017F;itzet oft der Wei&#x017F;e,<lb/>
Der Men&#x017F;chenfreund, wenn fremde Noth ihn beugt,<lb/>
Wenn dru&#x0364;ckend Elend kommt mit jung gewordnen<lb/><hi rendition="#et">Tagen,</hi><lb/>
Wenn durch das Vaterland die lautge&#x017F;to&#x0364;hnten Klagen<lb/>
Er&#x017F;challen allgemein: Dann &#x017F;itzet traurig er,<lb/>
Ver&#x017F;tummt von Schmerz, und blickt umher,<lb/>
Ob aufgekla&#x0364;rtre Tage kommen &#x2014;<lb/>
Du holdes Ma&#x0364;dchen, von zwey Frommen,<lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0345] Erſtes Buch. An Mademoiſelle W. Buchholz, auf ihren Geburtstag. (Den 30ten des Wintermonaths 1761.) Du aus den Haͤnden der Natur, Zu ihrem Ruhm hervorgegangne Schoͤne! Jetzt ſinget, auf der arm gewordnen Flur, Nicht mehr die Lerche. Jetzt verlernt die Thoͤne Selbſt deiner Schweſter Nachtigall. Sie ſchweigt In ihrem melancholiſchen Gehaͤuſe; Tief denkend ſitzt ſie da — ſo ſitzet oft der Weiſe, Der Menſchenfreund, wenn fremde Noth ihn beugt, Wenn druͤckend Elend kommt mit jung gewordnen Tagen, Wenn durch das Vaterland die lautgeſtoͤhnten Klagen Erſchallen allgemein: Dann ſitzet traurig er, Verſtummt von Schmerz, und blickt umher, Ob aufgeklaͤrtre Tage kommen — Du holdes Maͤdchen, von zwey Frommen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/345
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/345>, abgerufen am 22.11.2024.