neues, und sie bemerkte auch diese nur in so weit, daß ihr der edle Ernst in dem Aeußern dieses Cavalliers gefiel. Am andern Morgen früh kommt eine Magd in ihre Wohnung, welche ihr von fremder ungenann- ter Hand ein Billet übergab, folgenden Inhalts: Man wünscht wohl geschlafen zu haben, und durch Ueberbringerin zu wissen, worinnen man ihr dienen könnte, indem jemand nichts angenehmeres wüßte, als zu ihren Diensten bereit zu seyn." Sie antwortete augenblicklich und mit Freimüthigkeit, daß sie jetzt kein dringenderes Anliegen hätte, als ihren Sohn loß zu werden, und ihn in Zucht zu sehen. Die Magd ging mit der Antwort fort, und nach acht Tagen er- schien dieselbe wieder mit einem zweiten Billet, wor- innen stand, "daß es für eine gewisse Person ein sü- ßes Vergnügen sei, ihr in einem so löblichen Anliegen dienen zu können; sie möchte sich nur, nebst ihrem Sohn, auf die Realschule bemühn, wo sie zu seiner Aufnahme in Pension schon alles veranstaltet finden würde." Die höchsterfreute Dichterin gab hierauf eine so schnelle und feurige Danksagung, wie es die schöne That verdiente. Nun ging sie mit ihrem Sohn auf die Realschule, und fand es so gethan, wie ge- sagt, ohne daß sie den Namen ihres Wohlthäters er- fahren konnte. Sie rieth zwar auf den oben benann- ten von R * hr, allein sie ist niemals davon überzeugt
neues, und ſie bemerkte auch dieſe nur in ſo weit, daß ihr der edle Ernſt in dem Aeußern dieſes Cavalliers gefiel. Am andern Morgen fruͤh kommt eine Magd in ihre Wohnung, welche ihr von fremder ungenann- ter Hand ein Billet uͤbergab, folgenden Inhalts: Man wuͤnſcht wohl geſchlafen zu haben, und durch Ueberbringerin zu wiſſen, worinnen man ihr dienen koͤnnte, indem jemand nichts angenehmeres wuͤßte, als zu ihren Dienſten bereit zu ſeyn.“ Sie antwortete augenblicklich und mit Freimuͤthigkeit, daß ſie jetzt kein dringenderes Anliegen haͤtte, als ihren Sohn loß zu werden, und ihn in Zucht zu ſehen. Die Magd ging mit der Antwort fort, und nach acht Tagen er- ſchien dieſelbe wieder mit einem zweiten Billet, wor- innen ſtand, „daß es fuͤr eine gewiſſe Perſon ein ſuͤ- ßes Vergnuͤgen ſei, ihr in einem ſo loͤblichen Anliegen dienen zu koͤnnen; ſie moͤchte ſich nur, nebſt ihrem Sohn, auf die Realſchule bemuͤhn, wo ſie zu ſeiner Aufnahme in Penſion ſchon alles veranſtaltet finden wuͤrde.“ Die hoͤchſterfreute Dichterin gab hierauf eine ſo ſchnelle und feurige Dankſagung, wie es die ſchoͤne That verdiente. Nun ging ſie mit ihrem Sohn auf die Realſchule, und fand es ſo gethan, wie ge- ſagt, ohne daß ſie den Namen ihres Wohlthaͤters er- fahren konnte. Sie rieth zwar auf den oben benann- ten von R * hr, allein ſie iſt niemals davon uͤberzeugt
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neues, und ſie bemerkte auch dieſe nur in ſo weit,
daß ihr der edle Ernſt in dem Aeußern dieſes Cavalliers
gefiel. Am andern Morgen fruͤh kommt eine Magd
in ihre Wohnung, welche ihr von fremder ungenann-
ter Hand ein Billet uͤbergab, folgenden Inhalts:
Man wuͤnſcht wohl geſchlafen zu haben, und durch
Ueberbringerin zu wiſſen, worinnen man ihr dienen
koͤnnte, indem jemand nichts angenehmeres wuͤßte, als
zu ihren Dienſten bereit zu ſeyn.“ Sie antwortete
augenblicklich und mit Freimuͤthigkeit, daß ſie jetzt
kein dringenderes Anliegen haͤtte, als ihren Sohn loß
zu werden, und ihn in Zucht zu ſehen. Die Magd
ging mit der Antwort fort, und nach acht Tagen er-
ſchien dieſelbe wieder mit einem zweiten Billet, wor-
innen ſtand, „daß es fuͤr eine gewiſſe Perſon ein ſuͤ-
ßes Vergnuͤgen ſei, ihr in einem ſo loͤblichen Anliegen
dienen zu koͤnnen; ſie moͤchte ſich nur, nebſt ihrem
Sohn, auf die Realſchule bemuͤhn, wo ſie zu ſeiner
Aufnahme in Penſion ſchon alles veranſtaltet finden
wuͤrde.“ Die hoͤchſterfreute Dichterin gab hierauf
eine ſo ſchnelle und feurige Dankſagung, wie es die
ſchoͤne That verdiente. Nun ging ſie mit ihrem Sohn
auf die Realſchule, und fand es ſo gethan, wie ge-
ſagt, ohne daß ſie den Namen ihres Wohlthaͤters er-
fahren konnte. Sie rieth zwar auf den oben benann-
ten von R * hr, allein ſie iſt niemals davon uͤberzeugt
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/140>, abgerufen am 21.11.2024.
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