Feder zweimal im Publikum erschienen war. Noch mehr aber wagte ich, daß ich zum erstenmal vor einer so hohen Bühne, als das deutsche Publikum ist, mich in den Erzählungston einlassen wollte, auf welchen ich mich noch niemals geübt hatte. Was mich dazu reitzte, war, daß ich mehrere kleine Umstände aus dem Leben der Dichterin bekannt machen konnte, als bisher bekannt worden sind, wodurch ich wenigstens die Reugier zu befriedi- gen hoffte. Uebrigens ist mir die kleine Erzählung nicht leicht geworden, wie man es auch durch- gängig an dem gezwungenen Styl sehen wird, wel- cher gar nicht den ruhigen Ton hat, den die Er- zählung haben muß, wenn sie überzeugen soll. Wär ich geübter, und wären die Hauptumstände nicht schon so allgemein bekannt, so würde mir vielleicht die Arbeit besser gerathen seyn; und ich könnte alsdann den Lesern dieselbe ruhiger überge- ben, als ich jetzt thue. Auch wird es Leser geben, welche mich dabei des Enthusiasmus, der Vorliebe und Prahlerei beschuldigen möchten, sie werden aber nicht immer Recht haben, weil ich von der Wahrheit nirgends abgewichen bin, oblich gleich gestehen muß, daß mir mein Selbstgefühl sagt, daß ich wegen Unge- übtheit in der Eile der Erzählung oft zu selbstent- scheidend mich ausgedrückt haben kann. Noch muß ich befürchten, daß gewisse Verhältnisse, die darinn aufgeklärt sind, mir manche messende Seitenblicke und das Lächeln des höhern Eigendünkels zuziehen
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Feder zweimal im Publikum erſchienen war. Noch mehr aber wagte ich, daß ich zum erſtenmal vor einer ſo hohen Buͤhne, als das deutſche Publikum iſt, mich in den Erzaͤhlungston einlaſſen wollte, auf welchen ich mich noch niemals geuͤbt hatte. Was mich dazu reitzte, war, daß ich mehrere kleine Umſtaͤnde aus dem Leben der Dichterin bekannt machen konnte, als bisher bekannt worden ſind, wodurch ich wenigſtens die Reugier zu befriedi- gen hoffte. Uebrigens iſt mir die kleine Erzaͤhlung nicht leicht geworden, wie man es auch durch- gaͤngig an dem gezwungenen Styl ſehen wird, wel- cher gar nicht den ruhigen Ton hat, den die Er- zaͤhlung haben muß, wenn ſie uͤberzeugen ſoll. Waͤr ich geuͤbter, und waͤren die Hauptumſtaͤnde nicht ſchon ſo allgemein bekannt, ſo wuͤrde mir vielleicht die Arbeit beſſer gerathen ſeyn; und ich koͤnnte alsdann den Leſern dieſelbe ruhiger uͤberge- ben, als ich jetzt thue. Auch wird es Leſer geben, welche mich dabei des Enthuſiasmus, der Vorliebe und Prahlerei beſchuldigen moͤchten, ſie werden aber nicht immer Recht haben, weil ich von der Wahrheit nirgends abgewichen bin, oblich gleich geſtehen muß, daß mir mein Selbſtgefuͤhl ſagt, daß ich wegen Unge- uͤbtheit in der Eile der Erzaͤhlung oft zu ſelbſtent- ſcheidend mich ausgedruͤckt haben kann. Noch muß ich befuͤrchten, daß gewiſſe Verhaͤltniſſe, die darinn aufgeklaͤrt ſind, mir manche meſſende Seitenblicke und das Laͤcheln des hoͤhern Eigenduͤnkels zuziehen
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[IX/0017]
Feder zweimal im Publikum erſchienen war. Noch
mehr aber wagte ich, daß ich zum erſtenmal vor
einer ſo hohen Buͤhne, als das deutſche Publikum
iſt, mich in den Erzaͤhlungston einlaſſen wollte, auf
welchen ich mich noch niemals geuͤbt hatte. Was
mich dazu reitzte, war, daß ich mehrere kleine
Umſtaͤnde aus dem Leben der Dichterin bekannt
machen konnte, als bisher bekannt worden ſind,
wodurch ich wenigſtens die Reugier zu befriedi-
gen hoffte. Uebrigens iſt mir die kleine Erzaͤhlung
nicht leicht geworden, wie man es auch durch-
gaͤngig an dem gezwungenen Styl ſehen wird, wel-
cher gar nicht den ruhigen Ton hat, den die Er-
zaͤhlung haben muß, wenn ſie uͤberzeugen ſoll.
Waͤr ich geuͤbter, und waͤren die Hauptumſtaͤnde
nicht ſchon ſo allgemein bekannt, ſo wuͤrde mir
vielleicht die Arbeit beſſer gerathen ſeyn; und ich
koͤnnte alsdann den Leſern dieſelbe ruhiger uͤberge-
ben, als ich jetzt thue. Auch wird es Leſer geben,
welche mich dabei des Enthuſiasmus, der Vorliebe
und Prahlerei beſchuldigen moͤchten, ſie werden aber
nicht immer Recht haben, weil ich von der Wahrheit
nirgends abgewichen bin, oblich gleich geſtehen muß,
daß mir mein Selbſtgefuͤhl ſagt, daß ich wegen Unge-
uͤbtheit in der Eile der Erzaͤhlung oft zu ſelbſtent-
ſcheidend mich ausgedruͤckt haben kann. Noch muß
ich befuͤrchten, daß gewiſſe Verhaͤltniſſe, die darinn
aufgeklaͤrt ſind, mir manche meſſende Seitenblicke
und das Laͤcheln des hoͤhern Eigenduͤnkels zuziehen
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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