Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Du giebst zum Ewigheile
Zum Ewigwohlseyn giebst du mir
Noch längre Lebensweile,
Daß meine Seele sich zu dir
Erheben soll hiernieden
Wo sie am Staube hing,
Und ganz von dir geschieden
Verworrne Wege ging.
Sie grub zum Freudetrinken
Sich selber Brünnlein süß und lieb,
Zur Rechten und zur Linken,
Vergaß dich Urquell, trank und blieb
Stets durstig, und erkennet
Mit ungelöschter Gier,
Daß sie nur sehnt und brennet,
Du Lebensborn nach dir.
Sie kehrt voll Schaam und Reue
Vom langen Irrsaal um, und dankt
Dir deine Vatertreue,
Die nimmer müdet, nimmer wankt;
Dich preißt sie, der dem Sünder
Zeit umzukehren giebt,
Und, weil er irrt, nicht minder
Ihn in der Irre liebt.

Du giebſt zum Ewigheile
Zum Ewigwohlſeyn giebſt du mir
Noch laͤngre Lebensweile,
Daß meine Seele ſich zu dir
Erheben ſoll hiernieden
Wo ſie am Staube hing,
Und ganz von dir geſchieden
Verworrne Wege ging.
Sie grub zum Freudetrinken
Sich ſelber Bruͤnnlein ſuͤß und lieb,
Zur Rechten und zur Linken,
Vergaß dich Urquell, trank und blieb
Stets durſtig, und erkennet
Mit ungeloͤſchter Gier,
Daß ſie nur ſehnt und brennet,
Du Lebensborn nach dir.
Sie kehrt voll Schaam und Reue
Vom langen Irrſaal um, und dankt
Dir deine Vatertreue,
Die nimmer muͤdet, nimmer wankt;
Dich preißt ſie, der dem Suͤnder
Zeit umzukehren giebt,
Und, weil er irrt, nicht minder
Ihn in der Irre liebt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0299" n="139"/>
              <lg n="2">
                <l>Du gieb&#x017F;t zum Ewigheile</l><lb/>
                <l>Zum Ewigwohl&#x017F;eyn gieb&#x017F;t du mir</l><lb/>
                <l>Noch la&#x0364;ngre Lebensweile,</l><lb/>
                <l>Daß meine Seele &#x017F;ich zu dir</l><lb/>
                <l>Erheben &#x017F;oll hiernieden</l><lb/>
                <l>Wo &#x017F;ie am Staube hing,</l><lb/>
                <l>Und ganz von dir ge&#x017F;chieden</l><lb/>
                <l>Verworrne Wege ging.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="3">
                <l>Sie grub zum Freudetrinken</l><lb/>
                <l>Sich &#x017F;elber Bru&#x0364;nnlein &#x017F;u&#x0364;ß und lieb,</l><lb/>
                <l>Zur Rechten und zur Linken,</l><lb/>
                <l>Vergaß dich Urquell, trank und blieb</l><lb/>
                <l>Stets dur&#x017F;tig, und erkennet</l><lb/>
                <l>Mit ungelo&#x0364;&#x017F;chter Gier,</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie nur &#x017F;ehnt und brennet,</l><lb/>
                <l>Du Lebensborn nach dir.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Sie kehrt voll Schaam und Reue</l><lb/>
                <l>Vom langen Irr&#x017F;aal um, und dankt</l><lb/>
                <l>Dir deine Vatertreue,</l><lb/>
                <l>Die nimmer mu&#x0364;det, nimmer wankt;</l><lb/>
                <l>Dich preißt &#x017F;ie, der dem Su&#x0364;nder</l><lb/>
                <l>Zeit umzukehren giebt,</l><lb/>
                <l>Und, weil er irrt, nicht minder</l><lb/>
                <l>Ihn in der Irre liebt.</l>
              </lg><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0299] Du giebſt zum Ewigheile Zum Ewigwohlſeyn giebſt du mir Noch laͤngre Lebensweile, Daß meine Seele ſich zu dir Erheben ſoll hiernieden Wo ſie am Staube hing, Und ganz von dir geſchieden Verworrne Wege ging. Sie grub zum Freudetrinken Sich ſelber Bruͤnnlein ſuͤß und lieb, Zur Rechten und zur Linken, Vergaß dich Urquell, trank und blieb Stets durſtig, und erkennet Mit ungeloͤſchter Gier, Daß ſie nur ſehnt und brennet, Du Lebensborn nach dir. Sie kehrt voll Schaam und Reue Vom langen Irrſaal um, und dankt Dir deine Vatertreue, Die nimmer muͤdet, nimmer wankt; Dich preißt ſie, der dem Suͤnder Zeit umzukehren giebt, Und, weil er irrt, nicht minder Ihn in der Irre liebt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/299
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/299>, abgerufen am 22.11.2024.