Der größre Redekunst besitzt, Als Marc Anton, der vor dem Volke Des Cäsars Mörder bald verklaget, bald beschützt. Er kam, und über Ihm in einer goldnen Wolke Sah ich den schwebenden Apoll. Er sprach, und in mein Ohr erscholl Mit Seiner schnell gesprochnen Frage Der Donner Jupiters, und Seines Auges Blick War wie der Blitz am Erndtetage: Doch, Freund! ich staunte nicht zurück.
Ich sagte, welcher Mann mich zeugte, Und welcher Staub mich niederbeugte: Wie mein Genie herauf gestrebt, In welchem Dunkel ich der Jugend Zeit verlebt, Und daß ich nicht der Kunst geschriebne Regeln wüßte: Und daß mein Liebling, der Plutarch, Oft einen finstern Blick von mir vertragen müßte, Denn in ihm sänd ich nie den Sieger, den Monarch, Den Mensch und Philosoph vereinet, Ob Alexander gleich gesieget und geweinet, Und Cäsar selbst zufrieden schien, Wenn er jedweden Tag bezeichnet mit Verschonen, Und einem Brutus selbst verziehn, Der mit dem Dolch ihm sollte lohnen, Doch fänd ich auf der Griechen Thronen,
Der groͤßre Redekunſt beſitzt, Als Marc Anton, der vor dem Volke Des Caͤſars Moͤrder bald verklaget, bald beſchuͤtzt. Er kam, und uͤber Ihm in einer goldnen Wolke Sah ich den ſchwebenden Apoll. Er ſprach, und in mein Ohr erſcholl Mit Seiner ſchnell geſprochnen Frage Der Donner Jupiters, und Seines Auges Blick War wie der Blitz am Erndtetage: Doch, Freund! ich ſtaunte nicht zuruͤck.
Ich ſagte, welcher Mann mich zeugte, Und welcher Staub mich niederbeugte: Wie mein Genie herauf geſtrebt, In welchem Dunkel ich der Jugend Zeit verlebt, Und daß ich nicht der Kunſt geſchriebne Regeln wuͤßte: Und daß mein Liebling, der Plutarch, Oft einen finſtern Blick von mir vertragen muͤßte, Denn in ihm ſaͤnd ich nie den Sieger, den Monarch, Den Menſch und Philoſoph vereinet, Ob Alexander gleich geſieget und geweinet, Und Caͤſar ſelbſt zufrieden ſchien, Wenn er jedweden Tag bezeichnet mit Verſchonen, Und einem Brutus ſelbſt verziehn, Der mit dem Dolch ihm ſollte lohnen, Doch faͤnd ich auf der Griechen Thronen,
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Der groͤßre Redekunſt beſitzt,
Als Marc Anton, der vor dem Volke
Des Caͤſars Moͤrder bald verklaget, bald beſchuͤtzt.
Er kam, und uͤber Ihm in einer goldnen Wolke
Sah ich den ſchwebenden Apoll.
Er ſprach, und in mein Ohr erſcholl
Mit Seiner ſchnell geſprochnen Frage
Der Donner Jupiters, und Seines Auges Blick
War wie der Blitz am Erndtetage:
Doch, Freund! ich ſtaunte nicht zuruͤck.
Ich ſagte, welcher Mann mich zeugte,
Und welcher Staub mich niederbeugte:
Wie mein Genie herauf geſtrebt,
In welchem Dunkel ich der Jugend Zeit verlebt,
Und daß ich nicht der Kunſt geſchriebne Regeln wuͤßte:
Und daß mein Liebling, der Plutarch,
Oft einen finſtern Blick von mir vertragen muͤßte,
Denn in ihm ſaͤnd ich nie den Sieger, den Monarch,
Den Menſch und Philoſoph vereinet,
Ob Alexander gleich geſieget und geweinet,
Und Caͤſar ſelbſt zufrieden ſchien,
Wenn er jedweden Tag bezeichnet mit Verſchonen,
Und einem Brutus ſelbſt verziehn,
Der mit dem Dolch ihm ſollte lohnen,
Doch faͤnd ich auf der Griechen Thronen,
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/344>, abgerufen am 22.11.2024.
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