Sie fiel dir endlich aus der Hand. Du hubst sie auf und bliesest Den Staub von ihr, und ich empfand, Was du ihr jetzt erwiesest, Die Ehre, die ihr ward gethan. Saß hinter dir mit Lauschen Scharfaugicht wie ein Falk, und san Darauf, sie umzutauschen. Und das gelang mir gar zu gut: Sie lag vor meinem Blicke Ganz säuberlich in deinem Huth; Und mir zum großen Glücke Sprachst du mit irgend einem Hirt. Husch fuhr ich zu, und raubte Die Rose, die mich stärken wird, Bey schon gesunknem Haupte. Husch legt ich eine größre hin Mit unverwelkten Blättern, Und dankete mit frohem Sinn Herzinnig allen Göttern, Daß ich den Streich so klug gespielt, Nicht ohne Furcht und Beben Hab ich den süßen Raub erzielt, Du wirst mirs doch vergeben?
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Sie fiel dir endlich aus der Hand. Du hubſt ſie auf und blieſeſt Den Staub von ihr, und ich empfand, Was du ihr jetzt erwieſeſt, Die Ehre, die ihr ward gethan. Saß hinter dir mit Lauſchen Scharfaugicht wie ein Falk, und ſan Darauf, ſie umzutauſchen. Und das gelang mir gar zu gut: Sie lag vor meinem Blicke Ganz ſaͤuberlich in deinem Huth; Und mir zum großen Gluͤcke Sprachſt du mit irgend einem Hirt. Huſch fuhr ich zu, und raubte Die Roſe, die mich ſtaͤrken wird, Bey ſchon geſunknem Haupte. Huſch legt ich eine groͤßre hin Mit unverwelkten Blaͤttern, Und dankete mit frohem Sinn Herzinnig allen Goͤttern, Daß ich den Streich ſo klug geſpielt, Nicht ohne Furcht und Beben Hab ich den ſuͤßen Raub erzielt, Du wirſt mirs doch vergeben?
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Sie fiel dir endlich aus der Hand.
Du hubſt ſie auf und blieſeſt
Den Staub von ihr, und ich empfand,
Was du ihr jetzt erwieſeſt,
Die Ehre, die ihr ward gethan.
Saß hinter dir mit Lauſchen
Scharfaugicht wie ein Falk, und ſan
Darauf, ſie umzutauſchen.
Und das gelang mir gar zu gut:
Sie lag vor meinem Blicke
Ganz ſaͤuberlich in deinem Huth;
Und mir zum großen Gluͤcke
Sprachſt du mit irgend einem Hirt.
Huſch fuhr ich zu, und raubte
Die Roſe, die mich ſtaͤrken wird,
Bey ſchon geſunknem Haupte.
Huſch legt ich eine groͤßre hin
Mit unverwelkten Blaͤttern,
Und dankete mit frohem Sinn
Herzinnig allen Goͤttern,
Daß ich den Streich ſo klug geſpielt,
Nicht ohne Furcht und Beben
Hab ich den ſuͤßen Raub erzielt,
Du wirſt mirs doch vergeben?
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/449>, abgerufen am 22.11.2024.
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