Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Gott! Vater! zärtlichster und bester Menschenfreund!
Ists möglich, wurdest du dem Opferberge feind?
Wie? oder hast du nur den Altar umgerissen,
Daß unsre Herzen nun Altäre werden müssen?
So sprach der Schmerz in uns, da unser Herz erwog,
Was in der Hütten Rauch uns für ein Glück entflog;
Da das betönte Erz im Schutt danieder schmelzte,
Und da ein Berg von Gram sich uns in Busen wälzte.
Die Häuser loderten, wo sonst der Priester wohnt,
Und von der Flamme ward die Schule nicht verschont;
Ihr zweiter Lehrer frug nach der, die ihn geboren,
Die alte Redliche, ach Gott! sie war verloren.
Des Feuers stärkrer Schritt hohlt ihre Schritte ein,
Ihr Sarg, ihr Grabmahl mußt ein Aschenhaufen seyn,
Und ihre Asche ward ein Spielwerk für die Winde.
So kamen Fromme um, da wegen seiner Sünde
Das jüngre Tyrus fiel, da sich die Erde hub
Und Lissabonnens Stolz in ihren Riß begrub.
In dir, o Glogau! traf der Donnerschlag der Strafe
Die Unschuld wie die Schuld, den Hirten wie die
Schafe.
Gott fuhr auf Fittigen des Sturmes stark einher,
Und seiner Räder Gang war rollend wie das Meer,
Das den, der Schiffbruch litt und nach dem Ufer strebet,
Bald an den Abgrund stößt, bald an die Wolken hebet;
Und bald im Kreise dreht, und wann er Land gefühlt,
Gott! Vater! zaͤrtlichſter und beſter Menſchenfreund!
Iſts moͤglich, wurdeſt du dem Opferberge feind?
Wie? oder haſt du nur den Altar umgeriſſen,
Daß unſre Herzen nun Altaͤre werden muͤſſen?
So ſprach der Schmerz in uns, da unſer Herz erwog,
Was in der Huͤtten Rauch uns fuͤr ein Gluͤck entflog;
Da das betoͤnte Erz im Schutt danieder ſchmelzte,
Und da ein Berg von Gram ſich uns in Buſen waͤlzte.
Die Haͤuſer loderten, wo ſonſt der Prieſter wohnt,
Und von der Flamme ward die Schule nicht verſchont;
Ihr zweiter Lehrer frug nach der, die ihn geboren,
Die alte Redliche, ach Gott! ſie war verloren.
Des Feuers ſtaͤrkrer Schritt hohlt ihre Schritte ein,
Ihr Sarg, ihr Grabmahl mußt ein Aſchenhaufen ſeyn,
Und ihre Aſche ward ein Spielwerk fuͤr die Winde.
So kamen Fromme um, da wegen ſeiner Suͤnde
Das juͤngre Tyrus fiel, da ſich die Erde hub
Und Liſſabonnens Stolz in ihren Riß begrub.
In dir, o Glogau! traf der Donnerſchlag der Strafe
Die Unſchuld wie die Schuld, den Hirten wie die
Schafe.
Gott fuhr auf Fittigen des Sturmes ſtark einher,
Und ſeiner Raͤder Gang war rollend wie das Meer,
Das den, der Schiffbruch litt und nach dem Ufer ſtrebet,
Bald an den Abgrund ſtoͤßt, bald an die Wolken hebet;
Und bald im Kreiſe dreht, und wann er Land gefuͤhlt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0527" n="367"/>
            <lg n="2">
              <l>Gott! Vater! za&#x0364;rtlich&#x017F;ter und be&#x017F;ter Men&#x017F;chenfreund!</l><lb/>
              <l>I&#x017F;ts mo&#x0364;glich, wurde&#x017F;t du dem Opferberge feind?</l><lb/>
              <l>Wie? oder ha&#x017F;t du nur den Altar umgeri&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Daß un&#x017F;re Herzen nun Alta&#x0364;re werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en?</l><lb/>
              <l>So &#x017F;prach der Schmerz in uns, da un&#x017F;er Herz erwog,</l><lb/>
              <l>Was in der Hu&#x0364;tten Rauch uns fu&#x0364;r ein Glu&#x0364;ck entflog;</l><lb/>
              <l>Da das beto&#x0364;nte Erz im Schutt danieder &#x017F;chmelzte,</l><lb/>
              <l>Und da ein Berg von Gram &#x017F;ich uns in Bu&#x017F;en wa&#x0364;lzte.</l><lb/>
              <l>Die Ha&#x0364;u&#x017F;er loderten, wo &#x017F;on&#x017F;t der Prie&#x017F;ter wohnt,</l><lb/>
              <l>Und von der Flamme ward die Schule nicht ver&#x017F;chont;</l><lb/>
              <l>Ihr zweiter Lehrer frug nach der, die ihn geboren,</l><lb/>
              <l>Die alte Redliche, ach Gott! &#x017F;ie war verloren.</l><lb/>
              <l>Des Feuers &#x017F;ta&#x0364;rkrer Schritt hohlt ihre Schritte ein,</l><lb/>
              <l>Ihr Sarg, ihr Grabmahl mußt ein A&#x017F;chenhaufen &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Und ihre A&#x017F;che ward ein Spielwerk fu&#x0364;r die Winde.</l><lb/>
              <l>So kamen Fromme um, da wegen &#x017F;einer Su&#x0364;nde</l><lb/>
              <l>Das ju&#x0364;ngre Tyrus fiel, da &#x017F;ich die Erde hub</l><lb/>
              <l>Und Li&#x017F;&#x017F;abonnens Stolz in ihren Riß begrub.</l><lb/>
              <l>In dir, o Glogau! traf der Donner&#x017F;chlag der Strafe</l><lb/>
              <l>Die Un&#x017F;chuld wie die Schuld, den Hirten wie die</l><lb/>
              <l>Schafe.</l><lb/>
              <l>Gott fuhr auf Fittigen des Sturmes &#x017F;tark einher,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;einer Ra&#x0364;der Gang war rollend wie das Meer,</l><lb/>
              <l>Das den, der Schiffbruch litt und nach dem Ufer &#x017F;trebet,</l><lb/>
              <l>Bald an den Abgrund &#x017F;to&#x0364;ßt, bald an die Wolken hebet;</l><lb/>
              <l>Und bald im Krei&#x017F;e dreht, und wann er Land gefu&#x0364;hlt,</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0527] Gott! Vater! zaͤrtlichſter und beſter Menſchenfreund! Iſts moͤglich, wurdeſt du dem Opferberge feind? Wie? oder haſt du nur den Altar umgeriſſen, Daß unſre Herzen nun Altaͤre werden muͤſſen? So ſprach der Schmerz in uns, da unſer Herz erwog, Was in der Huͤtten Rauch uns fuͤr ein Gluͤck entflog; Da das betoͤnte Erz im Schutt danieder ſchmelzte, Und da ein Berg von Gram ſich uns in Buſen waͤlzte. Die Haͤuſer loderten, wo ſonſt der Prieſter wohnt, Und von der Flamme ward die Schule nicht verſchont; Ihr zweiter Lehrer frug nach der, die ihn geboren, Die alte Redliche, ach Gott! ſie war verloren. Des Feuers ſtaͤrkrer Schritt hohlt ihre Schritte ein, Ihr Sarg, ihr Grabmahl mußt ein Aſchenhaufen ſeyn, Und ihre Aſche ward ein Spielwerk fuͤr die Winde. So kamen Fromme um, da wegen ſeiner Suͤnde Das juͤngre Tyrus fiel, da ſich die Erde hub Und Liſſabonnens Stolz in ihren Riß begrub. In dir, o Glogau! traf der Donnerſchlag der Strafe Die Unſchuld wie die Schuld, den Hirten wie die Schafe. Gott fuhr auf Fittigen des Sturmes ſtark einher, Und ſeiner Raͤder Gang war rollend wie das Meer, Das den, der Schiffbruch litt und nach dem Ufer ſtrebet, Bald an den Abgrund ſtoͤßt, bald an die Wolken hebet; Und bald im Kreiſe dreht, und wann er Land gefuͤhlt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/527
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/527>, abgerufen am 25.11.2024.