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Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907.

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Die Sozialdemokratie hat seit ihrer wissenschaftlichen Begründung durch
das kommunistisches Manifest (1847) stets klar die Aufgaben gesehen, die den
Arbeiterparteien allüberall zufallen und zufallen werden, und die Entwickelung
hat ihr bisher in jedem Punkt Recht gegeben. Sie hat auch unter anderem von
vornherein erkannt, daß der Klassenkampf des Proletariats ein internationaler
sein muß. Das kommunistische Manifest schloß mit den Worten: "Proletarier
aller Länder vereinigt Euch." Langsam aber unwiderstehlich hat sich diese Er-
kenntnis den Lohnarbeitern aller Kulturländer mitgeteilt. Zu der Jnteressen-
gemeinschaft, die aus den Kämpfen für ökonomische Augenblicksforderungen ent-
sprang, gesellte sich in jüngster Zeit die Jnteressengemeinschaft, die aus der Ge-
meinsamkeit der letzten Ziele der Arbeiterbewegung in allen Ländern der kapita-
listischen Produktion hervorgeht. Je mehr die Arbeiterparteien der verschiedenen
Länder sich auf den gleichen sozialdemokratischen Boden stellen, desto inniger
wird ihr Aneinanderschluß, dessen sichtbares Zeichen die Maifeier ist.

Der Krieg ist unausrottbar in der Gesellschaft der Warenproduktion, welche
nicht bloß Klassengegensätze, sondern auch nationale Gegen-
sätze
erzeugt. Der Krieg ist die einzige Form, in der die schärfsten Jnteressen-
gegensätze, die sich nicht überbrücken lassen, zwischen selbständigen, souveränen
Staaten zum Austrag gebracht werden können. Den Krieg zu beseitigen gibt es
nur ein Mittel: die Gegensätze zu beseitigen, die ihn erzeugen.
Das können nur die Arbeiter
, welche die Jnteressengemeinschaft, die
Solidarität untereinander an Stelle der Konkurrenz setzen; das kann nur
die Sozialdemokratie
, die an Stelle der Gesellschaft der Konkurrenz,
der Warenproduktion die Produktion Aller für Alle, die Produktion für die Ge-
sellschaft und durch die Gesellschaft setzen will. Den sozialen und natio-
nalen Frieden
, den die Völker herbeisehnen, kann nur die Sozialde-
mokratie
bringen.




Die Sozialdemokratie hat seit ihrer wissenschaftlichen Begründung durch
das kommunistisches Manifest (1847) stets klar die Aufgaben gesehen, die den
Arbeiterparteien allüberall zufallen und zufallen werden, und die Entwickelung
hat ihr bisher in jedem Punkt Recht gegeben. Sie hat auch unter anderem von
vornherein erkannt, daß der Klassenkampf des Proletariats ein internationaler
sein muß. Das kommunistische Manifest schloß mit den Worten: „Proletarier
aller Länder vereinigt Euch.“ Langsam aber unwiderstehlich hat sich diese Er-
kenntnis den Lohnarbeitern aller Kulturländer mitgeteilt. Zu der Jnteressen-
gemeinschaft, die aus den Kämpfen für ökonomische Augenblicksforderungen ent-
sprang, gesellte sich in jüngster Zeit die Jnteressengemeinschaft, die aus der Ge-
meinsamkeit der letzten Ziele der Arbeiterbewegung in allen Ländern der kapita-
listischen Produktion hervorgeht. Je mehr die Arbeiterparteien der verschiedenen
Länder sich auf den gleichen sozialdemokratischen Boden stellen, desto inniger
wird ihr Aneinanderschluß, dessen sichtbares Zeichen die Maifeier ist.

Der Krieg ist unausrottbar in der Gesellschaft der Warenproduktion, welche
nicht bloß Klassengegensätze, sondern auch nationale Gegen-
sätze
erzeugt. Der Krieg ist die einzige Form, in der die schärfsten Jnteressen-
gegensätze, die sich nicht überbrücken lassen, zwischen selbständigen, souveränen
Staaten zum Austrag gebracht werden können. Den Krieg zu beseitigen gibt es
nur ein Mittel: die Gegensätze zu beseitigen, die ihn erzeugen.
Das können nur die Arbeiter
, welche die Jnteressengemeinschaft, die
Solidarität untereinander an Stelle der Konkurrenz setzen; das kann nur
die Sozialdemokratie
, die an Stelle der Gesellschaft der Konkurrenz,
der Warenproduktion die Produktion Aller für Alle, die Produktion für die Ge-
sellschaft und durch die Gesellschaft setzen will. Den sozialen und natio-
nalen Frieden
, den die Völker herbeisehnen, kann nur die Sozialde-
mokratie
bringen.




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[27/0029] Die Sozialdemokratie hat seit ihrer wissenschaftlichen Begründung durch das kommunistisches Manifest (1847) stets klar die Aufgaben gesehen, die den Arbeiterparteien allüberall zufallen und zufallen werden, und die Entwickelung hat ihr bisher in jedem Punkt Recht gegeben. Sie hat auch unter anderem von vornherein erkannt, daß der Klassenkampf des Proletariats ein internationaler sein muß. Das kommunistische Manifest schloß mit den Worten: „Proletarier aller Länder vereinigt Euch.“ Langsam aber unwiderstehlich hat sich diese Er- kenntnis den Lohnarbeitern aller Kulturländer mitgeteilt. Zu der Jnteressen- gemeinschaft, die aus den Kämpfen für ökonomische Augenblicksforderungen ent- sprang, gesellte sich in jüngster Zeit die Jnteressengemeinschaft, die aus der Ge- meinsamkeit der letzten Ziele der Arbeiterbewegung in allen Ländern der kapita- listischen Produktion hervorgeht. Je mehr die Arbeiterparteien der verschiedenen Länder sich auf den gleichen sozialdemokratischen Boden stellen, desto inniger wird ihr Aneinanderschluß, dessen sichtbares Zeichen die Maifeier ist. Der Krieg ist unausrottbar in der Gesellschaft der Warenproduktion, welche nicht bloß Klassengegensätze, sondern auch nationale Gegen- sätze erzeugt. Der Krieg ist die einzige Form, in der die schärfsten Jnteressen- gegensätze, die sich nicht überbrücken lassen, zwischen selbständigen, souveränen Staaten zum Austrag gebracht werden können. Den Krieg zu beseitigen gibt es nur ein Mittel: die Gegensätze zu beseitigen, die ihn erzeugen. Das können nur die Arbeiter, welche die Jnteressengemeinschaft, die Solidarität untereinander an Stelle der Konkurrenz setzen; das kann nur die Sozialdemokratie, die an Stelle der Gesellschaft der Konkurrenz, der Warenproduktion die Produktion Aller für Alle, die Produktion für die Ge- sellschaft und durch die Gesellschaft setzen will. Den sozialen und natio- nalen Frieden, den die Völker herbeisehnen, kann nur die Sozialde- mokratie bringen. K. K.

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Zitationshilfe: Kautsky, Karl; Schönlank, Bruno: Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie. 4. Aufl. Berlin, 1907, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kautsky_grundsaetze_1907/29>, abgerufen am 09.11.2024.