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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wachskerzen tanzten. Das seltsame Licht machte Alle vertrauter, und so konnten Sali und Vrenchen nicht umhin, sich unter die gemeinsame Lustbarkeit zu mischen und auch mit Andern zu tanzen. Aber jedesmal, wenn sie ein Weilchen getrennt gewesen, flogen sie zusammen und feierten ein Wiedersehen, als ob sie sich Jahre lang gesucht und endlich gefunden. Sali machte ein trauriges und unmuthiges Gesicht, wenn er mit einer Andern tanzte, und drehte fortwährend das Gesicht nach Vrenchen hin, welches ihn nicht ansah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie eine Purpurrose und überglücklich schien, mit wem es auch tanzte. Bist du eifersüchtig, Sali? fragte es ihn, als die Musikanten müde waren und aufhörten. -- Gott bewahre! sagte er, ich wüßte nicht, wie ich es anfangen sollte! -- Warum bist du denn so bös, wenn ich mit Andern tanze? -- Ich bin nicht darüber bös, sondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich kann kein anderes Mädchen ausstehen, es ist mir, als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe, wenn du es nicht bist! Und du, wie geht es dir? -- O, ich bin immer wie im Himmel, wenn ich nur tanze und weiß, daß du zugegen bist! Aber ich glaube, ich würde sogleich todt umfallen wenn du weggingest und mich da ließest! -- Sie waren hinabgegangen und standen vor dem Hause; Vrenchen umschloß ihn mit beiden Armen, schmiegte seinen heißen zitternden Leib an ihn, drückte seine glühende Wange, die von heißen Thränen feucht war, an sein Gesicht und sagte

Wachskerzen tanzten. Das seltsame Licht machte Alle vertrauter, und so konnten Sali und Vrenchen nicht umhin, sich unter die gemeinsame Lustbarkeit zu mischen und auch mit Andern zu tanzen. Aber jedesmal, wenn sie ein Weilchen getrennt gewesen, flogen sie zusammen und feierten ein Wiedersehen, als ob sie sich Jahre lang gesucht und endlich gefunden. Sali machte ein trauriges und unmuthiges Gesicht, wenn er mit einer Andern tanzte, und drehte fortwährend das Gesicht nach Vrenchen hin, welches ihn nicht ansah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie eine Purpurrose und überglücklich schien, mit wem es auch tanzte. Bist du eifersüchtig, Sali? fragte es ihn, als die Musikanten müde waren und aufhörten. — Gott bewahre! sagte er, ich wüßte nicht, wie ich es anfangen sollte! — Warum bist du denn so bös, wenn ich mit Andern tanze? — Ich bin nicht darüber bös, sondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich kann kein anderes Mädchen ausstehen, es ist mir, als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe, wenn du es nicht bist! Und du, wie geht es dir? — O, ich bin immer wie im Himmel, wenn ich nur tanze und weiß, daß du zugegen bist! Aber ich glaube, ich würde sogleich todt umfallen wenn du weggingest und mich da ließest! — Sie waren hinabgegangen und standen vor dem Hause; Vrenchen umschloß ihn mit beiden Armen, schmiegte seinen heißen zitternden Leib an ihn, drückte seine glühende Wange, die von heißen Thränen feucht war, an sein Gesicht und sagte

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Wachskerzen tanzten. Das seltsame Licht machte Alle vertrauter, und so konnten Sali                und Vrenchen nicht umhin, sich unter die gemeinsame Lustbarkeit zu mischen und auch                mit Andern zu tanzen. Aber jedesmal, wenn sie ein Weilchen getrennt gewesen, flogen                sie zusammen und feierten ein Wiedersehen, als ob sie sich Jahre lang gesucht und                endlich gefunden. Sali machte ein trauriges und unmuthiges Gesicht, wenn er mit einer                Andern tanzte, und drehte fortwährend das Gesicht nach Vrenchen hin, welches ihn                nicht ansah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie eine Purpurrose und überglücklich                schien, mit wem es auch tanzte. Bist du eifersüchtig, Sali? fragte es ihn, als die                Musikanten müde waren und aufhörten. &#x2014; Gott bewahre! sagte er, ich wüßte nicht, wie                ich es anfangen sollte! &#x2014; Warum bist du denn so bös, wenn ich mit Andern tanze? &#x2014; Ich                bin nicht darüber bös, sondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich kann kein anderes                Mädchen ausstehen, es ist mir, als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe, wenn du es                nicht bist! Und du, wie geht es dir? &#x2014; O, ich bin immer wie im Himmel, wenn ich nur                tanze und weiß, daß du zugegen bist! Aber ich glaube, ich würde sogleich todt                umfallen wenn du weggingest und mich da ließest! &#x2014; Sie waren hinabgegangen und                standen vor dem Hause; Vrenchen umschloß ihn mit beiden Armen, schmiegte seinen                heißen zitternden Leib an ihn, drückte seine glühende Wange, die von heißen Thränen                feucht war, an sein Gesicht und sagte<lb/></p>
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[0107] Wachskerzen tanzten. Das seltsame Licht machte Alle vertrauter, und so konnten Sali und Vrenchen nicht umhin, sich unter die gemeinsame Lustbarkeit zu mischen und auch mit Andern zu tanzen. Aber jedesmal, wenn sie ein Weilchen getrennt gewesen, flogen sie zusammen und feierten ein Wiedersehen, als ob sie sich Jahre lang gesucht und endlich gefunden. Sali machte ein trauriges und unmuthiges Gesicht, wenn er mit einer Andern tanzte, und drehte fortwährend das Gesicht nach Vrenchen hin, welches ihn nicht ansah, wenn es vorüberdrehte, glühte wie eine Purpurrose und überglücklich schien, mit wem es auch tanzte. Bist du eifersüchtig, Sali? fragte es ihn, als die Musikanten müde waren und aufhörten. — Gott bewahre! sagte er, ich wüßte nicht, wie ich es anfangen sollte! — Warum bist du denn so bös, wenn ich mit Andern tanze? — Ich bin nicht darüber bös, sondern weil ich mit Andern tanzen muß! Ich kann kein anderes Mädchen ausstehen, es ist mir, als wenn ich ein Stück Holz im Arm habe, wenn du es nicht bist! Und du, wie geht es dir? — O, ich bin immer wie im Himmel, wenn ich nur tanze und weiß, daß du zugegen bist! Aber ich glaube, ich würde sogleich todt umfallen wenn du weggingest und mich da ließest! — Sie waren hinabgegangen und standen vor dem Hause; Vrenchen umschloß ihn mit beiden Armen, schmiegte seinen heißen zitternden Leib an ihn, drückte seine glühende Wange, die von heißen Thränen feucht war, an sein Gesicht und sagte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/107>, abgerufen am 21.11.2024.