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Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Fröhlichkeit zitterte in jeder Fiber dieses Wesens; es lachte und war aufgelegt zu Scherz und Spiel, wenn das Wetter nur im Mindesten lieblich war, d. h. wenn es nicht zu sehr gequält wurde und nicht zu viel Sorgen hatte. Diese plagten es aber häufig genug; denn nicht nur hatte es den Kummer und das wachsende Elend des Hauses mit zu tragen, sondern es mußte noch sich selber in Acht nehmen und mochte sich gern halbwegs ordentlich und reinlich kleiden, ohne daß der Vater ihm die geringsten Mittel dazu geben wollte. So hatte Vrenchen die größte Noth, seine anmuthige Person einigermaßen auszustaffiren, sich ein allerbescheidenstes Sonntagskleid zu erobern und einige bunte, fast werthlose Halstüchelchen zusammenzuhalten. Darum war das schöne, wohlgemuthe junge Blut in jeder Weise gedemüthigt und gehemmt und konnte am wenigsten der Hoffahrt anheimfallen. Ueberdies hatte es bei schon erwachendem Verstande das Leiden und den Tod seiner Mutter gesehen, und dies Andenken war ein weiterer Zügel, der seinem lustigen und feurigen Wesen angelegt war, so daß es nun höchst lieblich, unbedenklich und rührend sich ansah, wenn trotz alledem das gute Kind bei jedem Sonnenblick sich ermunterte und zum Lächeln bereit war.

Sali erging es nicht so hart auf den ersten Anschein; denn er war nun ein hübscher und kräftiger junger Bursche, der sich zu wehren wußte, und dessen äußere Haltung wenigstens eine schlechte Behandlung

Fröhlichkeit zitterte in jeder Fiber dieses Wesens; es lachte und war aufgelegt zu Scherz und Spiel, wenn das Wetter nur im Mindesten lieblich war, d. h. wenn es nicht zu sehr gequält wurde und nicht zu viel Sorgen hatte. Diese plagten es aber häufig genug; denn nicht nur hatte es den Kummer und das wachsende Elend des Hauses mit zu tragen, sondern es mußte noch sich selber in Acht nehmen und mochte sich gern halbwegs ordentlich und reinlich kleiden, ohne daß der Vater ihm die geringsten Mittel dazu geben wollte. So hatte Vrenchen die größte Noth, seine anmuthige Person einigermaßen auszustaffiren, sich ein allerbescheidenstes Sonntagskleid zu erobern und einige bunte, fast werthlose Halstüchelchen zusammenzuhalten. Darum war das schöne, wohlgemuthe junge Blut in jeder Weise gedemüthigt und gehemmt und konnte am wenigsten der Hoffahrt anheimfallen. Ueberdies hatte es bei schon erwachendem Verstande das Leiden und den Tod seiner Mutter gesehen, und dies Andenken war ein weiterer Zügel, der seinem lustigen und feurigen Wesen angelegt war, so daß es nun höchst lieblich, unbedenklich und rührend sich ansah, wenn trotz alledem das gute Kind bei jedem Sonnenblick sich ermunterte und zum Lächeln bereit war.

Sali erging es nicht so hart auf den ersten Anschein; denn er war nun ein hübscher und kräftiger junger Bursche, der sich zu wehren wußte, und dessen äußere Haltung wenigstens eine schlechte Behandlung

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Fröhlichkeit zitterte in jeder Fiber dieses Wesens; es lachte und war aufgelegt zu                Scherz und Spiel, wenn das Wetter nur im Mindesten lieblich war, d. h. wenn es nicht                zu sehr gequält wurde und nicht zu viel Sorgen hatte. Diese plagten es aber häufig                genug; denn nicht nur hatte es den Kummer und das wachsende Elend des Hauses mit zu                tragen, sondern es mußte noch sich selber in Acht nehmen und mochte sich gern                halbwegs ordentlich und reinlich kleiden, ohne daß der Vater ihm die geringsten                Mittel dazu geben wollte. So hatte Vrenchen die größte Noth, seine anmuthige Person                einigermaßen auszustaffiren, sich ein allerbescheidenstes Sonntagskleid zu erobern                und einige bunte, fast werthlose Halstüchelchen zusammenzuhalten. Darum war das                schöne, wohlgemuthe junge Blut in jeder Weise gedemüthigt und gehemmt und konnte am                wenigsten der Hoffahrt anheimfallen. Ueberdies hatte es bei schon erwachendem                Verstande das Leiden und den Tod seiner Mutter gesehen, und dies Andenken war ein                weiterer Zügel, der seinem lustigen und feurigen Wesen angelegt war, so daß es nun                höchst lieblich, unbedenklich und rührend sich ansah, wenn trotz alledem das gute                Kind bei jedem Sonnenblick sich ermunterte und zum Lächeln bereit war.</p><lb/>
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[0032] Fröhlichkeit zitterte in jeder Fiber dieses Wesens; es lachte und war aufgelegt zu Scherz und Spiel, wenn das Wetter nur im Mindesten lieblich war, d. h. wenn es nicht zu sehr gequält wurde und nicht zu viel Sorgen hatte. Diese plagten es aber häufig genug; denn nicht nur hatte es den Kummer und das wachsende Elend des Hauses mit zu tragen, sondern es mußte noch sich selber in Acht nehmen und mochte sich gern halbwegs ordentlich und reinlich kleiden, ohne daß der Vater ihm die geringsten Mittel dazu geben wollte. So hatte Vrenchen die größte Noth, seine anmuthige Person einigermaßen auszustaffiren, sich ein allerbescheidenstes Sonntagskleid zu erobern und einige bunte, fast werthlose Halstüchelchen zusammenzuhalten. Darum war das schöne, wohlgemuthe junge Blut in jeder Weise gedemüthigt und gehemmt und konnte am wenigsten der Hoffahrt anheimfallen. Ueberdies hatte es bei schon erwachendem Verstande das Leiden und den Tod seiner Mutter gesehen, und dies Andenken war ein weiterer Zügel, der seinem lustigen und feurigen Wesen angelegt war, so daß es nun höchst lieblich, unbedenklich und rührend sich ansah, wenn trotz alledem das gute Kind bei jedem Sonnenblick sich ermunterte und zum Lächeln bereit war. Sali erging es nicht so hart auf den ersten Anschein; denn er war nun ein hübscher und kräftiger junger Bursche, der sich zu wehren wußte, und dessen äußere Haltung wenigstens eine schlechte Behandlung

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:34:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:34:29Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_dorfe_1910/32>, abgerufen am 21.11.2024.