jene vier angegebenen Knaben, welche mir wie halbe Männer vorkamen, da sie an Alter und Größe mir weit vorgeschritten waren. Ein geist¬ licher Herr erschien, welcher gewöhnlich den Religionsunterricht gab und sonst der Schule vorstand, setzte sich mit dem Lehrer an einen Tisch und hieß mich neben ihn sitzen. Die Kna¬ ben hingegen mußten sich vor dem Tische in eine Reihe stellen und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Sie wurden nun mit feierlicher Stimme gefragt, ob sie gewisse Worte in meiner Gegenwart ausgesprochen hätten; sie wußten Nichts zu antworten und waren ganz erstaunt. Hierauf sagte der Geistliche zu mir: "Wo hast du die bewußten Dinge gehört von diesen Bu¬ ben?" Ich war sogleich wieder im Zuge und antwortete unverweilt mit trockener Bestimmt¬ heit: "Im Brüderleinsholze!" Dieses ist ein Gehölz, eine Stunde von der Stadt entfernt, wo ich in meinem Leben nie gewesen war, das ich aber oft nennen hörte. "Wie ist es dabei zu¬ gegangen, wie seid ihr dahin gekommen?" fragte man weiter. Ich erzählte, wie mich die Knaben
jene vier angegebenen Knaben, welche mir wie halbe Maͤnner vorkamen, da ſie an Alter und Groͤße mir weit vorgeſchritten waren. Ein geiſt¬ licher Herr erſchien, welcher gewoͤhnlich den Religionsunterricht gab und ſonſt der Schule vorſtand, ſetzte ſich mit dem Lehrer an einen Tiſch und hieß mich neben ihn ſitzen. Die Kna¬ ben hingegen mußten ſich vor dem Tiſche in eine Reihe ſtellen und harrten der Dinge, die da kommen ſollten. Sie wurden nun mit feierlicher Stimme gefragt, ob ſie gewiſſe Worte in meiner Gegenwart ausgeſprochen haͤtten; ſie wußten Nichts zu antworten und waren ganz erſtaunt. Hierauf ſagte der Geiſtliche zu mir: »Wo haſt du die bewußten Dinge gehoͤrt von dieſen Bu¬ ben?« Ich war ſogleich wieder im Zuge und antwortete unverweilt mit trockener Beſtimmt¬ heit: »Im Bruͤderleinsholze!« Dieſes iſt ein Gehoͤlz, eine Stunde von der Stadt entfernt, wo ich in meinem Leben nie geweſen war, das ich aber oft nennen hoͤrte. »Wie iſt es dabei zu¬ gegangen, wie ſeid ihr dahin gekommen?« fragte man weiter. Ich erzaͤhlte, wie mich die Knaben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0234"n="220"/>
jene vier angegebenen Knaben, welche mir wie<lb/>
halbe Maͤnner vorkamen, da ſie an Alter und<lb/>
Groͤße mir weit vorgeſchritten waren. Ein geiſt¬<lb/>
licher Herr erſchien, welcher gewoͤhnlich den<lb/>
Religionsunterricht gab und ſonſt der Schule<lb/>
vorſtand, ſetzte ſich mit dem Lehrer an einen<lb/>
Tiſch und hieß mich neben ihn ſitzen. Die Kna¬<lb/>
ben hingegen mußten ſich vor dem Tiſche in<lb/>
eine Reihe ſtellen und harrten der Dinge, die da<lb/>
kommen ſollten. Sie wurden nun mit feierlicher<lb/>
Stimme gefragt, ob ſie gewiſſe Worte in meiner<lb/>
Gegenwart ausgeſprochen haͤtten; ſie wußten<lb/>
Nichts zu antworten und waren ganz erſtaunt.<lb/>
Hierauf ſagte der Geiſtliche zu mir: »Wo haſt<lb/>
du die bewußten Dinge gehoͤrt von dieſen Bu¬<lb/>
ben?« Ich war ſogleich wieder im Zuge und<lb/>
antwortete unverweilt mit trockener Beſtimmt¬<lb/>
heit: »Im Bruͤderleinsholze!« Dieſes iſt ein<lb/>
Gehoͤlz, eine Stunde von der Stadt entfernt,<lb/>
wo ich in meinem Leben nie geweſen war, das<lb/>
ich aber oft nennen hoͤrte. »Wie iſt es dabei zu¬<lb/>
gegangen, wie ſeid ihr dahin gekommen?« fragte<lb/>
man weiter. Ich erzaͤhlte, wie mich die Knaben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[220/0234]
jene vier angegebenen Knaben, welche mir wie
halbe Maͤnner vorkamen, da ſie an Alter und
Groͤße mir weit vorgeſchritten waren. Ein geiſt¬
licher Herr erſchien, welcher gewoͤhnlich den
Religionsunterricht gab und ſonſt der Schule
vorſtand, ſetzte ſich mit dem Lehrer an einen
Tiſch und hieß mich neben ihn ſitzen. Die Kna¬
ben hingegen mußten ſich vor dem Tiſche in
eine Reihe ſtellen und harrten der Dinge, die da
kommen ſollten. Sie wurden nun mit feierlicher
Stimme gefragt, ob ſie gewiſſe Worte in meiner
Gegenwart ausgeſprochen haͤtten; ſie wußten
Nichts zu antworten und waren ganz erſtaunt.
Hierauf ſagte der Geiſtliche zu mir: »Wo haſt
du die bewußten Dinge gehoͤrt von dieſen Bu¬
ben?« Ich war ſogleich wieder im Zuge und
antwortete unverweilt mit trockener Beſtimmt¬
heit: »Im Bruͤderleinsholze!« Dieſes iſt ein
Gehoͤlz, eine Stunde von der Stadt entfernt,
wo ich in meinem Leben nie geweſen war, das
ich aber oft nennen hoͤrte. »Wie iſt es dabei zu¬
gegangen, wie ſeid ihr dahin gekommen?« fragte
man weiter. Ich erzaͤhlte, wie mich die Knaben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/234>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.