sah. Sogleich faßte ich den Entschluß, eine solche anzulegen, und baute eine Menge Käfige und Zellen. Mit vielem Fleiße wandelte ich da¬ zu kleine Kästchen um, verfertigte deren aus Pappe und Holz und spannte Gitter von Draht oder Faden davor, je nach der Stärke des Thie¬ res, welches dafür bestimmt war. Der erste In¬ sasse war eine Maus, welche mit eben der Um¬ ständlichkeit, mit welcher ein Bär installirt wird, aus der Mausefalle in ihren Kerker hinübergelei¬ tet wurde. Dann folgte ein junges Kaninchen; einige Sperlinge, eine Blindschleiche, eine größere Schlange, mehrere Eidechsen verschiedener Farbe und Größe, ein mächtiger Hirschkäfer mit vielen andern Käfern schmachteten bald in den Behäl¬ tern, welche ordentlich auf einander gethürmt waren. Mehrere große Spinnen versahen in Wahrheit die Stelle der wilden Tiger für mich, da ich sie entsetzlich fürchtete und nur mit großem Umschweife gefangen hatte. Mit schauerlichem Behagen betrachtete ich die Wehrlosen, bis eines Tages eine Kreuzspinne aus ihrem Käfige brach und mir rasend über Hand und Kleid lief. Der
ſah. Sogleich faßte ich den Entſchluß, eine ſolche anzulegen, und baute eine Menge Kaͤfige und Zellen. Mit vielem Fleiße wandelte ich da¬ zu kleine Kaͤſtchen um, verfertigte deren aus Pappe und Holz und ſpannte Gitter von Draht oder Faden davor, je nach der Staͤrke des Thie¬ res, welches dafuͤr beſtimmt war. Der erſte In¬ ſaſſe war eine Maus, welche mit eben der Um¬ ſtaͤndlichkeit, mit welcher ein Baͤr inſtallirt wird, aus der Mauſefalle in ihren Kerker hinuͤbergelei¬ tet wurde. Dann folgte ein junges Kaninchen; einige Sperlinge, eine Blindſchleiche, eine groͤßere Schlange, mehrere Eidechſen verſchiedener Farbe und Groͤße, ein maͤchtiger Hirſchkaͤfer mit vielen andern Kaͤfern ſchmachteten bald in den Behaͤl¬ tern, welche ordentlich auf einander gethuͤrmt waren. Mehrere große Spinnen verſahen in Wahrheit die Stelle der wilden Tiger fuͤr mich, da ich ſie entſetzlich fuͤrchtete und nur mit großem Umſchweife gefangen hatte. Mit ſchauerlichem Behagen betrachtete ich die Wehrloſen, bis eines Tages eine Kreuzſpinne aus ihrem Kaͤfige brach und mir raſend uͤber Hand und Kleid lief. Der
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ſah. Sogleich faßte ich den Entſchluß, eine
ſolche anzulegen, und baute eine Menge Kaͤfige
und Zellen. Mit vielem Fleiße wandelte ich da¬
zu kleine Kaͤſtchen um, verfertigte deren aus
Pappe und Holz und ſpannte Gitter von Draht
oder Faden davor, je nach der Staͤrke des Thie¬
res, welches dafuͤr beſtimmt war. Der erſte In¬
ſaſſe war eine Maus, welche mit eben der Um¬
ſtaͤndlichkeit, mit welcher ein Baͤr inſtallirt wird,
aus der Mauſefalle in ihren Kerker hinuͤbergelei¬
tet wurde. Dann folgte ein junges Kaninchen;
einige Sperlinge, eine Blindſchleiche, eine groͤßere
Schlange, mehrere Eidechſen verſchiedener Farbe
und Groͤße, ein maͤchtiger Hirſchkaͤfer mit vielen
andern Kaͤfern ſchmachteten bald in den Behaͤl¬
tern, welche ordentlich auf einander gethuͤrmt
waren. Mehrere große Spinnen verſahen in
Wahrheit die Stelle der wilden Tiger fuͤr mich,
da ich ſie entſetzlich fuͤrchtete und nur mit großem
Umſchweife gefangen hatte. Mit ſchauerlichem
Behagen betrachtete ich die Wehrloſen, bis eines
Tages eine Kreuzſpinne aus ihrem Kaͤfige brach
und mir raſend uͤber Hand und Kleid lief. Der
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/262>, abgerufen am 21.11.2024.
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