erschreckte mich das Zucken des zerstörten Orga¬ nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in den Hof hinunter, machte eine Grube unter den Vogelbeerbäumchen, worin ich die ganze Samm¬ lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬ sten kopfüber warf und eilig verscharrte. Meine Mutter sagte, als sie es sah, ich hätte die Thiere nur wieder ins Freie tragen sollen, wo ich sie geholt hätte, vielleicht wären sie dort wieder ge¬ sund geworden. Ich sah dies ein und bereute meine That: der Rasenplatz war aber lange eine schauerliche Stätte für mich, und ich wagte nie jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder auszugraben und anzusehen.
Bei Frau Margreth that sich mir die nächste Spielerei auf. In einer verrückten, markt¬ schreierischen Theosophie, welche ich unter ihren Büchern fand, war eine Anweisung enthalten, die vier Elemente zu veranschaulichen, nebst an¬ dern kindischen Experimenten und den dazu ge¬ hörigen Tafeln. Nach diesen Vorschriften nahm ich eine große Phiole, füllte sie zum Viertheile
erſchreckte mich das Zucken des zerſtoͤrten Orga¬ nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in den Hof hinunter, machte eine Grube unter den Vogelbeerbaͤumchen, worin ich die ganze Samm¬ lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬ ſten kopfuͤber warf und eilig verſcharrte. Meine Mutter ſagte, als ſie es ſah, ich haͤtte die Thiere nur wieder ins Freie tragen ſollen, wo ich ſie geholt haͤtte, vielleicht waͤren ſie dort wieder ge¬ ſund geworden. Ich ſah dies ein und bereute meine That: der Raſenplatz war aber lange eine ſchauerliche Staͤtte fuͤr mich, und ich wagte nie jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder auszugraben und anzuſehen.
Bei Frau Margreth that ſich mir die naͤchſte Spielerei auf. In einer verruͤckten, markt¬ ſchreieriſchen Theoſophie, welche ich unter ihren Buͤchern fand, war eine Anweiſung enthalten, die vier Elemente zu veranſchaulichen, nebſt an¬ dern kindiſchen Experimenten und den dazu ge¬ hoͤrigen Tafeln. Nach dieſen Vorſchriften nahm ich eine große Phiole, fuͤllte ſie zum Viertheile
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0264"n="250"/>
erſchreckte mich das Zucken des zerſtoͤrten Orga¬<lb/>
nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in<lb/>
den Hof hinunter, machte eine Grube unter den<lb/>
Vogelbeerbaͤumchen, worin ich die ganze Samm¬<lb/>
lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬<lb/>ſten kopfuͤber warf und eilig verſcharrte. Meine<lb/>
Mutter ſagte, als ſie es ſah, ich haͤtte die Thiere<lb/>
nur wieder ins Freie tragen ſollen, wo ich ſie<lb/>
geholt haͤtte, vielleicht waͤren ſie dort wieder ge¬<lb/>ſund geworden. Ich ſah dies ein und bereute<lb/>
meine That: der Raſenplatz war aber lange eine<lb/>ſchauerliche Staͤtte fuͤr mich, und ich wagte nie<lb/>
jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche<lb/>
es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder<lb/>
auszugraben und anzuſehen.</p><lb/><p>Bei Frau Margreth that ſich mir die naͤchſte<lb/>
Spielerei auf. In einer verruͤckten, markt¬<lb/>ſchreieriſchen Theoſophie, welche ich unter ihren<lb/>
Buͤchern fand, war eine Anweiſung enthalten,<lb/>
die vier Elemente zu veranſchaulichen, nebſt an¬<lb/>
dern kindiſchen Experimenten und den dazu ge¬<lb/>
hoͤrigen Tafeln. Nach dieſen Vorſchriften nahm<lb/>
ich eine große Phiole, fuͤllte ſie zum Viertheile<lb/></p></div></body></text></TEI>
[250/0264]
erſchreckte mich das Zucken des zerſtoͤrten Orga¬
nismus und ich mußte inne halten. Ich eilte in
den Hof hinunter, machte eine Grube unter den
Vogelbeerbaͤumchen, worin ich die ganze Samm¬
lung, todte, halbtodte und lebende, in ihren Ka¬
ſten kopfuͤber warf und eilig verſcharrte. Meine
Mutter ſagte, als ſie es ſah, ich haͤtte die Thiere
nur wieder ins Freie tragen ſollen, wo ich ſie
geholt haͤtte, vielleicht waͤren ſie dort wieder ge¬
ſund geworden. Ich ſah dies ein und bereute
meine That: der Raſenplatz war aber lange eine
ſchauerliche Staͤtte fuͤr mich, und ich wagte nie
jener kindlichen Neugierde zu gehorchen, welche
es immer antreibt, etwas Vergrabenes wieder
auszugraben und anzuſehen.
Bei Frau Margreth that ſich mir die naͤchſte
Spielerei auf. In einer verruͤckten, markt¬
ſchreieriſchen Theoſophie, welche ich unter ihren
Buͤchern fand, war eine Anweiſung enthalten,
die vier Elemente zu veranſchaulichen, nebſt an¬
dern kindiſchen Experimenten und den dazu ge¬
hoͤrigen Tafeln. Nach dieſen Vorſchriften nahm
ich eine große Phiole, fuͤllte ſie zum Viertheile
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/264>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.