da wäre es gut sein. "Ich habe soeben," be¬ gann mein Lügengefährte, "solch' eine Salami¬ wurst gekauft, zur Probe, ob ich für mein näch¬ stes Bankett eine Kiste voll anschaffen soll. Ich habe sie angebissen, fand sie aber abscheulich und schleuderte sie in den See hinaus; die Wurst muß noch dort schwimmen, ich sah sie den Augenblick noch." Wir blickten auf den schim¬ mernden Wellenspiegel hinaus, wo zwischen den Marktschiffen wohl etwa ein Apfel oder ein Sa¬ latblatt umhertrieb, aber keine Salami zu sehen war. "Ei, es wird wohl ein Hecht danach ge¬ schnappt haben!" sagte ich gutmüthig, und er gab diese Möglichkeit zu und fragte mich, ob ich nicht auch Einkäufe machen wolle? "Freilich," erwiderte ich, "ich möchte wohl diese Kette haben für meine Geliebte!" und wies auf eine unächte, aber schön vergoldete Halskette. Jetzt ließ er mich nicht mehr los, sondern umwickelte mich mit einem moralischen Zwangsnetze, indem ihm die Neugierde, ob ich wirklich über meinen ge¬ heimnißvollen Schatz zu verfügen hätte, die Worte dazu lieh. So hatte ich keinen andern Ausweg,
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da waͤre es gut ſein. »Ich habe ſoeben,« be¬ gann mein Luͤgengefaͤhrte, »ſolch' eine Salami¬ wurſt gekauft, zur Probe, ob ich fuͤr mein naͤch¬ ſtes Bankett eine Kiſte voll anſchaffen ſoll. Ich habe ſie angebiſſen, fand ſie aber abſcheulich und ſchleuderte ſie in den See hinaus; die Wurſt muß noch dort ſchwimmen, ich ſah ſie den Augenblick noch.« Wir blickten auf den ſchim¬ mernden Wellenſpiegel hinaus, wo zwiſchen den Marktſchiffen wohl etwa ein Apfel oder ein Sa¬ latblatt umhertrieb, aber keine Salami zu ſehen war. »Ei, es wird wohl ein Hecht danach ge¬ ſchnappt haben!« ſagte ich gutmuͤthig, und er gab dieſe Moͤglichkeit zu und fragte mich, ob ich nicht auch Einkaͤufe machen wolle? »Freilich,« erwiderte ich, »ich moͤchte wohl dieſe Kette haben fuͤr meine Geliebte!« und wies auf eine unaͤchte, aber ſchoͤn vergoldete Halskette. Jetzt ließ er mich nicht mehr los, ſondern umwickelte mich mit einem moraliſchen Zwangsnetze, indem ihm die Neugierde, ob ich wirklich uͤber meinen ge¬ heimnißvollen Schatz zu verfuͤgen haͤtte, die Worte dazu lieh. So hatte ich keinen andern Ausweg,
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da waͤre es gut ſein. »Ich habe ſoeben,« be¬
gann mein Luͤgengefaͤhrte, »ſolch' eine Salami¬
wurſt gekauft, zur Probe, ob ich fuͤr mein naͤch¬
ſtes Bankett eine Kiſte voll anſchaffen ſoll. Ich
habe ſie angebiſſen, fand ſie aber abſcheulich und
ſchleuderte ſie in den See hinaus; die Wurſt
muß noch dort ſchwimmen, ich ſah ſie den
Augenblick noch.« Wir blickten auf den ſchim¬
mernden Wellenſpiegel hinaus, wo zwiſchen den
Marktſchiffen wohl etwa ein Apfel oder ein Sa¬
latblatt umhertrieb, aber keine Salami zu ſehen
war. »Ei, es wird wohl ein Hecht danach ge¬
ſchnappt haben!« ſagte ich gutmuͤthig, und er
gab dieſe Moͤglichkeit zu und fragte mich, ob ich
nicht auch Einkaͤufe machen wolle? »Freilich,«
erwiderte ich, »ich moͤchte wohl dieſe Kette haben
fuͤr meine Geliebte!« und wies auf eine unaͤchte,
aber ſchoͤn vergoldete Halskette. Jetzt ließ er
mich nicht mehr los, ſondern umwickelte mich
mit einem moraliſchen Zwangsnetze, indem ihm
die Neugierde, ob ich wirklich uͤber meinen ge¬
heimnißvollen Schatz zu verfuͤgen haͤtte, die Worte
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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