aber nun in einer sonderbaren Stimmung, die mich scheu und wortkarg gegen meine Mutter machte. Denn wenn der frühere Eingriff mehr die Folge eines vereinzelten äußeren Zwanges ge¬ wesen und mir kein böses Gewissen hinterlassen hatte, so war das jetzige Unterfangen freiwillig und vorsätzlich; ich that etwas, wovon ich wußte, daß es die Mutter nimmer zugeben würde, auch die Schönheit und der Glanz der Münze schienen von der profanen Verausgabung abzumahnen. Jedoch verhinderte der Umstand, daß ich mich selbst bestahl zum Zwecke der Nothhülfe in einem kritischen Falle, ein eigentliches Diebsgefühl; es war mehr etwas von dem Bewußtsein, welches im verlornen Sohne dämmern mochte, als er eines schönen Morgens mit seinem väterlichen Erbtheil auszog, es zu verschwenden.
Am Pfingsttage war ich schon früh auf den Füßen: unsere Trommler, als die allerkleinsten auch die muntersten Bursche, durchzogen in an¬ sehnlichem Haufen die Stadt, umschwärmt von marschbereiten Schülern, und ich beeilte mich, zu ihnen zu stoßen. Meine Mutter hatte aber noch
aber nun in einer ſonderbaren Stimmung, die mich ſcheu und wortkarg gegen meine Mutter machte. Denn wenn der fruͤhere Eingriff mehr die Folge eines vereinzelten aͤußeren Zwanges ge¬ weſen und mir kein boͤſes Gewiſſen hinterlaſſen hatte, ſo war das jetzige Unterfangen freiwillig und vorſaͤtzlich; ich that etwas, wovon ich wußte, daß es die Mutter nimmer zugeben wuͤrde, auch die Schoͤnheit und der Glanz der Muͤnze ſchienen von der profanen Verausgabung abzumahnen. Jedoch verhinderte der Umſtand, daß ich mich ſelbſt beſtahl zum Zwecke der Nothhuͤlfe in einem kritiſchen Falle, ein eigentliches Diebsgefuͤhl; es war mehr etwas von dem Bewußtſein, welches im verlornen Sohne daͤmmern mochte, als er eines ſchoͤnen Morgens mit ſeinem vaͤterlichen Erbtheil auszog, es zu verſchwenden.
Am Pfingſttage war ich ſchon fruͤh auf den Fuͤßen: unſere Trommler, als die allerkleinſten auch die munterſten Burſche, durchzogen in an¬ ſehnlichem Haufen die Stadt, umſchwaͤrmt von marſchbereiten Schuͤlern, und ich beeilte mich, zu ihnen zu ſtoßen. Meine Mutter hatte aber noch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0322"n="308"/>
aber nun in einer ſonderbaren Stimmung, die<lb/>
mich ſcheu und wortkarg gegen meine Mutter<lb/>
machte. Denn wenn der fruͤhere Eingriff mehr<lb/>
die Folge eines vereinzelten aͤußeren Zwanges ge¬<lb/>
weſen und mir kein boͤſes Gewiſſen hinterlaſſen<lb/>
hatte, ſo war das jetzige Unterfangen freiwillig<lb/>
und vorſaͤtzlich; ich that etwas, wovon ich wußte,<lb/>
daß es die Mutter nimmer zugeben wuͤrde, auch<lb/>
die Schoͤnheit und der Glanz der Muͤnze ſchienen<lb/>
von der profanen Verausgabung abzumahnen.<lb/>
Jedoch verhinderte der Umſtand, daß ich mich<lb/>ſelbſt beſtahl zum Zwecke der Nothhuͤlfe in einem<lb/>
kritiſchen Falle, ein eigentliches Diebsgefuͤhl; es<lb/>
war mehr etwas von dem Bewußtſein, welches<lb/>
im verlornen Sohne daͤmmern mochte, als er<lb/>
eines ſchoͤnen Morgens mit ſeinem vaͤterlichen<lb/>
Erbtheil auszog, es zu verſchwenden.</p><lb/><p>Am Pfingſttage war ich ſchon fruͤh auf den<lb/>
Fuͤßen: unſere Trommler, als die allerkleinſten<lb/>
auch die munterſten Burſche, durchzogen in an¬<lb/>ſehnlichem Haufen die Stadt, umſchwaͤrmt von<lb/>
marſchbereiten Schuͤlern, und ich beeilte mich, zu<lb/>
ihnen zu ſtoßen. Meine Mutter hatte aber noch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[308/0322]
aber nun in einer ſonderbaren Stimmung, die
mich ſcheu und wortkarg gegen meine Mutter
machte. Denn wenn der fruͤhere Eingriff mehr
die Folge eines vereinzelten aͤußeren Zwanges ge¬
weſen und mir kein boͤſes Gewiſſen hinterlaſſen
hatte, ſo war das jetzige Unterfangen freiwillig
und vorſaͤtzlich; ich that etwas, wovon ich wußte,
daß es die Mutter nimmer zugeben wuͤrde, auch
die Schoͤnheit und der Glanz der Muͤnze ſchienen
von der profanen Verausgabung abzumahnen.
Jedoch verhinderte der Umſtand, daß ich mich
ſelbſt beſtahl zum Zwecke der Nothhuͤlfe in einem
kritiſchen Falle, ein eigentliches Diebsgefuͤhl; es
war mehr etwas von dem Bewußtſein, welches
im verlornen Sohne daͤmmern mochte, als er
eines ſchoͤnen Morgens mit ſeinem vaͤterlichen
Erbtheil auszog, es zu verſchwenden.
Am Pfingſttage war ich ſchon fruͤh auf den
Fuͤßen: unſere Trommler, als die allerkleinſten
auch die munterſten Burſche, durchzogen in an¬
ſehnlichem Haufen die Stadt, umſchwaͤrmt von
marſchbereiten Schuͤlern, und ich beeilte mich, zu
ihnen zu ſtoßen. Meine Mutter hatte aber noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/322>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.