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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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suchten, daß die Mädchen doch häufig nach un¬
serem tüchtigen Treiben herüber schielten. Unser
Zechen bestand zwar mehr in einer bescheidenen
Nachahmung der Alten und überwand den natür¬
lichen Widerwillen gegen Unmäßigkeit nicht, der
noch in jenem Lebensalter liegt; doch bot es hin¬
länglichen Spielraum für unsere kleinen Leiden¬
schaften. Der Weinbau dieser Landschaft war
bedeutender und edler als bei uns, daher hatten
unsere jungen Nachbaren schon eine entschiedenere
Färbung in ihrer Fröhlichkeit und vertrugen ein
stärkeres Glas Wein, als wir, so daß sie ihren
Ruf vollkommen rechtfertigten. Da galt es nun,
sich hervorzuthun; ich gab mich diesem Bestreben
ohne Rückhalt hin, meine wohlversehene Kasse
verlieh mir die nöthige Sicherheit und Freiheit,
und dieser erfolgte alsobald eine gewisse Achtung
meiner Umgebung. Wir durchzogen Arm in
Arm die Stadt und die Lustplätze vor derselben,
das schöne Wetter, die Freude, der Wein regten
mich auf und machten mich beredsam und aus¬
gelassen, keck und gewandt; aus einem stillen
und blöden Fernesteher war ich urplötzlich ein

ſuchten, daß die Maͤdchen doch haͤufig nach un¬
ſerem tuͤchtigen Treiben heruͤber ſchielten. Unſer
Zechen beſtand zwar mehr in einer beſcheidenen
Nachahmung der Alten und uͤberwand den natuͤr¬
lichen Widerwillen gegen Unmaͤßigkeit nicht, der
noch in jenem Lebensalter liegt; doch bot es hin¬
laͤnglichen Spielraum fuͤr unſere kleinen Leiden¬
ſchaften. Der Weinbau dieſer Landſchaft war
bedeutender und edler als bei uns, daher hatten
unſere jungen Nachbaren ſchon eine entſchiedenere
Faͤrbung in ihrer Froͤhlichkeit und vertrugen ein
ſtaͤrkeres Glas Wein, als wir, ſo daß ſie ihren
Ruf vollkommen rechtfertigten. Da galt es nun,
ſich hervorzuthun; ich gab mich dieſem Beſtreben
ohne Ruͤckhalt hin, meine wohlverſehene Kaſſe
verlieh mir die noͤthige Sicherheit und Freiheit,
und dieſer erfolgte alſobald eine gewiſſe Achtung
meiner Umgebung. Wir durchzogen Arm in
Arm die Stadt und die Luſtplaͤtze vor derſelben,
das ſchoͤne Wetter, die Freude, der Wein regten
mich auf und machten mich beredſam und aus¬
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[318/0332] ſuchten, daß die Maͤdchen doch haͤufig nach un¬ ſerem tuͤchtigen Treiben heruͤber ſchielten. Unſer Zechen beſtand zwar mehr in einer beſcheidenen Nachahmung der Alten und uͤberwand den natuͤr¬ lichen Widerwillen gegen Unmaͤßigkeit nicht, der noch in jenem Lebensalter liegt; doch bot es hin¬ laͤnglichen Spielraum fuͤr unſere kleinen Leiden¬ ſchaften. Der Weinbau dieſer Landſchaft war bedeutender und edler als bei uns, daher hatten unſere jungen Nachbaren ſchon eine entſchiedenere Faͤrbung in ihrer Froͤhlichkeit und vertrugen ein ſtaͤrkeres Glas Wein, als wir, ſo daß ſie ihren Ruf vollkommen rechtfertigten. Da galt es nun, ſich hervorzuthun; ich gab mich dieſem Beſtreben ohne Ruͤckhalt hin, meine wohlverſehene Kaſſe verlieh mir die noͤthige Sicherheit und Freiheit, und dieſer erfolgte alſobald eine gewiſſe Achtung meiner Umgebung. Wir durchzogen Arm in Arm die Stadt und die Luſtplaͤtze vor derſelben, das ſchoͤne Wetter, die Freude, der Wein regten mich auf und machten mich beredſam und aus¬ gelaſſen, keck und gewandt; aus einem ſtillen und bloͤden Ferneſteher war ich urploͤtzlich ein

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/332>, abgerufen am 22.11.2024.