Kohlen. Der Rektor stutzte, durchsah das Heft und begann das Verhör, welches Meierlein zu be¬ herrschen suchte. Aber der Vorsteher gebot ihm Stille und forderte mich zum Sprechen auf. Ich gab einige kümmerliche Nachricht und hätte gern Alles verschwiegen; doch der Mann rief plötzlich: "Genug, ihr seid beide Taugenichtse und werdet bestraft!" Damit trat er zu den aufliegenden Ta¬ bellen und bedachte Jeden von uns mit einer scharfen Note. Meierlein sagte betreten: "Aber, Herr Professor --" "Still", rief dieser und nahm das verhängnißvolle Buch, welches er in tausend Stücken zerriß, "wenn noch ein Wort darüber verlautet oder sich dergleichen wiederholt, so wer¬ det ihr eingesperrt und als ein paar recht be¬ denkliche Gesellen abgestraft! Pack' Dich!"
Während der übrigen Unterrichtsstunden schrieb ich ein Briefchen meinem Widersacher, worin ich ihm versicherte, daß ich ihm nach und nach meine Schuld abtragen und ihm jeden Kreuzer zustellen wolle, den ich von nun an ersparen könnte. Ich rollte das Papier zusammen, ließ es unter den Tischen zu ihm hin befördern und erhielt die Ant¬
Kohlen. Der Rektor ſtutzte, durchſah das Heft und begann das Verhoͤr, welches Meierlein zu be¬ herrſchen ſuchte. Aber der Vorſteher gebot ihm Stille und forderte mich zum Sprechen auf. Ich gab einige kuͤmmerliche Nachricht und haͤtte gern Alles verſchwiegen; doch der Mann rief ploͤtzlich: »Genug, ihr ſeid beide Taugenichtſe und werdet beſtraft!« Damit trat er zu den aufliegenden Ta¬ bellen und bedachte Jeden von uns mit einer ſcharfen Note. Meierlein ſagte betreten: »Aber, Herr Profeſſor —« »Still«, rief dieſer und nahm das verhaͤngnißvolle Buch, welches er in tauſend Stuͤcken zerriß, »wenn noch ein Wort daruͤber verlautet oder ſich dergleichen wiederholt, ſo wer¬ det ihr eingeſperrt und als ein paar recht be¬ denkliche Geſellen abgeſtraft! Pack' Dich!«
Waͤhrend der uͤbrigen Unterrichtsſtunden ſchrieb ich ein Briefchen meinem Widerſacher, worin ich ihm verſicherte, daß ich ihm nach und nach meine Schuld abtragen und ihm jeden Kreuzer zuſtellen wolle, den ich von nun an erſparen koͤnnte. Ich rollte das Papier zuſammen, ließ es unter den Tiſchen zu ihm hin befoͤrdern und erhielt die Ant¬
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Kohlen. Der Rektor ſtutzte, durchſah das Heft
und begann das Verhoͤr, welches Meierlein zu be¬
herrſchen ſuchte. Aber der Vorſteher gebot ihm
Stille und forderte mich zum Sprechen auf. Ich
gab einige kuͤmmerliche Nachricht und haͤtte gern
Alles verſchwiegen; doch der Mann rief ploͤtzlich:
»Genug, ihr ſeid beide Taugenichtſe und werdet
beſtraft!« Damit trat er zu den aufliegenden Ta¬
bellen und bedachte Jeden von uns mit einer
ſcharfen Note. Meierlein ſagte betreten: »Aber,
Herr Profeſſor —« »Still«, rief dieſer und nahm
das verhaͤngnißvolle Buch, welches er in tauſend
Stuͤcken zerriß, »wenn noch ein Wort daruͤber
verlautet oder ſich dergleichen wiederholt, ſo wer¬
det ihr eingeſperrt und als ein paar recht be¬
denkliche Geſellen abgeſtraft! Pack' Dich!«
Waͤhrend der uͤbrigen Unterrichtsſtunden ſchrieb
ich ein Briefchen meinem Widerſacher, worin ich
ihm verſicherte, daß ich ihm nach und nach meine
Schuld abtragen und ihm jeden Kreuzer zuſtellen
wolle, den ich von nun an erſparen koͤnnte. Ich
rollte das Papier zuſammen, ließ es unter den
Tiſchen zu ihm hin befoͤrdern und erhielt die Ant¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/355>, abgerufen am 22.11.2024.
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