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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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wie es abliefe. Der Haufen bewegte sich vor¬
wärts, andere Schulen, deren Bestandtheile um
diese Zeit alle in den Gassen wimmelten, wurden
angeworben, daß bald ein Zug von hundert Jun¬
gen aller Art sich fortwälzte. Die Bürger stan¬
den unter den Thüren und betrachteten mit Ver¬
wunderung das Thun, ich hörte Einen sagen:
"Was mögen die Teufelsbuben nur wieder vor¬
haben? Die sind bei Gott fast so munter, als wir
gewesen sind!" Diese Worte klangen in meinen
Ohren wie Kriegsdrommeten, meine Füße wurden
lebendiger und schon trat ich dem letzten Manne
des Zuges auf die Fersen. Es war ein unsäg¬
liches Vergnügen in der Menge, hervorgerufen
durch das improvisirte Beisammensein aus eigener
Machtvollkommenheit. Ich ward immer wärmer,
schob mich vorwärts und sah mich plötzlich bei
der Spitze angelangt, wo die hohen Häupter
gingen und mich mit Jubel begrüßten. "Der
grüne Heinrich ist doch noch gekommen!" hieß es,
der Name erschallte längs des ganzen Zuges und
vermehrte den Stoff zu Geräusch und gegenstand¬
loser Freude, Mir schwebten sogleich gelesene

wie es abliefe. Der Haufen bewegte ſich vor¬
waͤrts, andere Schulen, deren Beſtandtheile um
dieſe Zeit alle in den Gaſſen wimmelten, wurden
angeworben, daß bald ein Zug von hundert Jun¬
gen aller Art ſich fortwaͤlzte. Die Buͤrger ſtan¬
den unter den Thuͤren und betrachteten mit Ver¬
wunderung das Thun, ich hoͤrte Einen ſagen:
»Was moͤgen die Teufelsbuben nur wieder vor¬
haben? Die ſind bei Gott faſt ſo munter, als wir
geweſen ſind!« Dieſe Worte klangen in meinen
Ohren wie Kriegsdrommeten, meine Fuͤße wurden
lebendiger und ſchon trat ich dem letzten Manne
des Zuges auf die Ferſen. Es war ein unſaͤg¬
liches Vergnuͤgen in der Menge, hervorgerufen
durch das improviſirte Beiſammenſein aus eigener
Machtvollkommenheit. Ich ward immer waͤrmer,
ſchob mich vorwaͤrts und ſah mich ploͤtzlich bei
der Spitze angelangt, wo die hohen Haͤupter
gingen und mich mit Jubel begruͤßten. »Der
gruͤne Heinrich iſt doch noch gekommen!« hieß es,
der Name erſchallte laͤngs des ganzen Zuges und
vermehrte den Stoff zu Geraͤuſch und gegenſtand¬
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[377/0391] wie es abliefe. Der Haufen bewegte ſich vor¬ waͤrts, andere Schulen, deren Beſtandtheile um dieſe Zeit alle in den Gaſſen wimmelten, wurden angeworben, daß bald ein Zug von hundert Jun¬ gen aller Art ſich fortwaͤlzte. Die Buͤrger ſtan¬ den unter den Thuͤren und betrachteten mit Ver¬ wunderung das Thun, ich hoͤrte Einen ſagen: »Was moͤgen die Teufelsbuben nur wieder vor¬ haben? Die ſind bei Gott faſt ſo munter, als wir geweſen ſind!« Dieſe Worte klangen in meinen Ohren wie Kriegsdrommeten, meine Fuͤße wurden lebendiger und ſchon trat ich dem letzten Manne des Zuges auf die Ferſen. Es war ein unſaͤg¬ liches Vergnuͤgen in der Menge, hervorgerufen durch das improviſirte Beiſammenſein aus eigener Machtvollkommenheit. Ich ward immer waͤrmer, ſchob mich vorwaͤrts und ſah mich ploͤtzlich bei der Spitze angelangt, wo die hohen Haͤupter gingen und mich mit Jubel begruͤßten. »Der gruͤne Heinrich iſt doch noch gekommen!« hieß es, der Name erſchallte laͤngs des ganzen Zuges und vermehrte den Stoff zu Geraͤuſch und gegenſtand¬ loſer Freude, Mir ſchwebten ſogleich geleſene

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/391>, abgerufen am 22.11.2024.