mes Reh erschien neugierig unter der Thür, eine prachtvolle graue Katze folgte und schmiegte sich durch das Getümmel, die spielenden und zu täp¬ pischen Hunde würdevoll abweisend, Tauben sa¬ ßen auf dem Fenster, Menschen und Thiere, die ersteren kaum halb angezogen, jagten sich durch¬ einander; Alle aber hielt der kluge Marder zum Besten und schien viel eher mit uns zu spielen, als wir mit ihm. Nun erschien auch der Oheim mit dem rauchenden Waldhörnchen, uns eher noch zu Unfug anspornend, als abwehrend; seine frisch blühenden Töchter folgten ihm, um nach der Ur¬ sache des Geräusches zu sehen und uns zu Früh¬ stück und Ordnung zu rufen, mußten sich aber bald ihrer Haut wehren, da ein Krieg allgemei¬ ner Neckerei sich gegen sie entspann, an dem so¬ gar die Hunde Theil nahmen, welche sich die Pa¬ role der erlaubten Ausgelassenheit am frühen Morgen nicht zweimal geben ließen, sondern sich tapfer an die starken Kleidersäume der schelten¬ den Mädchen hingen. Ich saß an dem offenen Fenster und athmete die balsamische Morgenluft; die glitzernden Wellen des raschen Flüßchens
mes Reh erſchien neugierig unter der Thuͤr, eine prachtvolle graue Katze folgte und ſchmiegte ſich durch das Getuͤmmel, die ſpielenden und zu taͤp¬ piſchen Hunde wuͤrdevoll abweiſend, Tauben ſa¬ ßen auf dem Fenſter, Menſchen und Thiere, die erſteren kaum halb angezogen, jagten ſich durch¬ einander; Alle aber hielt der kluge Marder zum Beſten und ſchien viel eher mit uns zu ſpielen, als wir mit ihm. Nun erſchien auch der Oheim mit dem rauchenden Waldhoͤrnchen, uns eher noch zu Unfug anſpornend, als abwehrend; ſeine friſch bluͤhenden Toͤchter folgten ihm, um nach der Ur¬ ſache des Geraͤuſches zu ſehen und uns zu Fruͤh¬ ſtuͤck und Ordnung zu rufen, mußten ſich aber bald ihrer Haut wehren, da ein Krieg allgemei¬ ner Neckerei ſich gegen ſie entſpann, an dem ſo¬ gar die Hunde Theil nahmen, welche ſich die Pa¬ role der erlaubten Ausgelaſſenheit am fruͤhen Morgen nicht zweimal geben ließen, ſondern ſich tapfer an die ſtarken Kleiderſaͤume der ſchelten¬ den Maͤdchen hingen. Ich ſaß an dem offenen Fenſter und athmete die balſamiſche Morgenluft; die glitzernden Wellen des raſchen Fluͤßchens
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0012"n="2"/>
mes Reh erſchien neugierig unter der Thuͤr, eine<lb/>
prachtvolle graue Katze folgte und ſchmiegte ſich<lb/>
durch das Getuͤmmel, die ſpielenden und zu taͤp¬<lb/>
piſchen Hunde wuͤrdevoll abweiſend, Tauben ſa¬<lb/>
ßen auf dem Fenſter, Menſchen und Thiere, die<lb/>
erſteren kaum halb angezogen, jagten ſich durch¬<lb/>
einander; Alle aber hielt der kluge Marder zum<lb/>
Beſten und ſchien viel eher mit uns zu ſpielen,<lb/>
als wir mit ihm. Nun erſchien auch der Oheim<lb/>
mit dem rauchenden Waldhoͤrnchen, uns eher noch<lb/>
zu Unfug anſpornend, als abwehrend; ſeine friſch<lb/>
bluͤhenden Toͤchter folgten ihm, um nach der Ur¬<lb/>ſache des Geraͤuſches zu ſehen und uns zu Fruͤh¬<lb/>ſtuͤck und Ordnung zu rufen, mußten ſich aber<lb/>
bald ihrer Haut wehren, da ein Krieg allgemei¬<lb/>
ner Neckerei ſich gegen ſie entſpann, an dem ſo¬<lb/>
gar die Hunde Theil nahmen, welche ſich die Pa¬<lb/>
role der erlaubten Ausgelaſſenheit am fruͤhen<lb/>
Morgen nicht zweimal geben ließen, ſondern ſich<lb/>
tapfer an die ſtarken Kleiderſaͤume der ſchelten¬<lb/>
den Maͤdchen hingen. Ich ſaß an dem offenen<lb/>
Fenſter und athmete die balſamiſche Morgenluft;<lb/>
die glitzernden Wellen des raſchen Fluͤßchens<lb/></p></div></body></text></TEI>
[2/0012]
mes Reh erſchien neugierig unter der Thuͤr, eine
prachtvolle graue Katze folgte und ſchmiegte ſich
durch das Getuͤmmel, die ſpielenden und zu taͤp¬
piſchen Hunde wuͤrdevoll abweiſend, Tauben ſa¬
ßen auf dem Fenſter, Menſchen und Thiere, die
erſteren kaum halb angezogen, jagten ſich durch¬
einander; Alle aber hielt der kluge Marder zum
Beſten und ſchien viel eher mit uns zu ſpielen,
als wir mit ihm. Nun erſchien auch der Oheim
mit dem rauchenden Waldhoͤrnchen, uns eher noch
zu Unfug anſpornend, als abwehrend; ſeine friſch
bluͤhenden Toͤchter folgten ihm, um nach der Ur¬
ſache des Geraͤuſches zu ſehen und uns zu Fruͤh¬
ſtuͤck und Ordnung zu rufen, mußten ſich aber
bald ihrer Haut wehren, da ein Krieg allgemei¬
ner Neckerei ſich gegen ſie entſpann, an dem ſo¬
gar die Hunde Theil nahmen, welche ſich die Pa¬
role der erlaubten Ausgelaſſenheit am fruͤhen
Morgen nicht zweimal geben ließen, ſondern ſich
tapfer an die ſtarken Kleiderſaͤume der ſchelten¬
den Maͤdchen hingen. Ich ſaß an dem offenen
Fenſter und athmete die balſamiſche Morgenluft;
die glitzernden Wellen des raſchen Fluͤßchens
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/12>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.