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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der seines
Lohnes werth ist. Die Sonne ging hinab und
ließ eine hohe Rosengluth zurück, welche auf
Alles einen sterbenden Nachglanz warf und die
Zeichnung auf meinen Knieen sammt meinen
Händen wunderbar röthete und etwas Rechtem
gleichsehen ließ. Da ich sehr früh aufgestanden
war und in diesem Augenblicke auch sonst nichts
Besseres zu thun wußte, schlief ich allmälig ein,
und als ich erwachte, standen die Zurückgekehrten
in der vorgerückten Dämmerung vor mir und am
dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine
Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬
sehen, die Magd schlug die Hände über den Kopf
zusammen und hatte noch nie etwas Aehnliches
erblickt, der Schulmeister fand mein Werk gut
und belobte meine Artigkeit gegen sein Töchter¬
chen mit schönen Worten und freute sich darüber,
Anna lächelte vergnügt auf das Geschenk, wagte
aber nicht, es anzurühren, sondern ließ es auf
dem flachen Tische liegen und guckte nur hinter
den Anderen hervor darüber hin. Wir nahmen
nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬

Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der ſeines
Lohnes werth iſt. Die Sonne ging hinab und
ließ eine hohe Roſengluth zuruͤck, welche auf
Alles einen ſterbenden Nachglanz warf und die
Zeichnung auf meinen Knieen ſammt meinen
Haͤnden wunderbar roͤthete und etwas Rechtem
gleichſehen ließ. Da ich ſehr fruͤh aufgeſtanden
war und in dieſem Augenblicke auch ſonſt nichts
Beſſeres zu thun wußte, ſchlief ich allmaͤlig ein,
und als ich erwachte, ſtanden die Zuruͤckgekehrten
in der vorgeruͤckten Daͤmmerung vor mir und am
dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine
Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬
ſehen, die Magd ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf
zuſammen und hatte noch nie etwas Aehnliches
erblickt, der Schulmeiſter fand mein Werk gut
und belobte meine Artigkeit gegen ſein Toͤchter¬
chen mit ſchoͤnen Worten und freute ſich daruͤber,
Anna laͤchelte vergnuͤgt auf das Geſchenk, wagte
aber nicht, es anzuruͤhren, ſondern ließ es auf
dem flachen Tiſche liegen und guckte nur hinter
den Anderen hervor daruͤber hin. Wir nahmen
nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬

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[114/0124] Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der ſeines Lohnes werth iſt. Die Sonne ging hinab und ließ eine hohe Roſengluth zuruͤck, welche auf Alles einen ſterbenden Nachglanz warf und die Zeichnung auf meinen Knieen ſammt meinen Haͤnden wunderbar roͤthete und etwas Rechtem gleichſehen ließ. Da ich ſehr fruͤh aufgeſtanden war und in dieſem Augenblicke auch ſonſt nichts Beſſeres zu thun wußte, ſchlief ich allmaͤlig ein, und als ich erwachte, ſtanden die Zuruͤckgekehrten in der vorgeruͤckten Daͤmmerung vor mir und am dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬ ſehen, die Magd ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf zuſammen und hatte noch nie etwas Aehnliches erblickt, der Schulmeiſter fand mein Werk gut und belobte meine Artigkeit gegen ſein Toͤchter¬ chen mit ſchoͤnen Worten und freute ſich daruͤber, Anna laͤchelte vergnuͤgt auf das Geſchenk, wagte aber nicht, es anzuruͤhren, ſondern ließ es auf dem flachen Tiſche liegen und guckte nur hinter den Anderen hervor daruͤber hin. Wir nahmen nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/124>, abgerufen am 23.11.2024.