beim Erwachen war ich wie von einem heißen Quell der Glückseligkeit durchtränkt und berauscht. Die Nacht in meinem Bewußtsein war wie ein großes schönes Ereigniß und alle ihre verwirrten Träume ließen den Eindruck der schönsten Wirk¬ lichkeit zurück, ich war wie ein neuer Mensch, reicher an Wissen und Erfahrung als gestern, und doch wußte ich Nichts und hätte es in keine Worte fassen können.
Ich ging noch immer trunken und träumend unter meine Verwandten und fand in der Wohn¬ stube den benachbarten Müller vor, welcher mit einem leichten Fuhrwerke meiner harrte, um mich mit nach der Stadt zu nehmen. Meine Rückkehr war nämlich, seit einiger Zeit bestimmt, an die Geschäftsreise dieses Mannes geknüpft und zu¬ fällig verabredet worden, da das Fahren mit ihm einige Bequemlichkeit bot. Ich fragte nach dieser ohnehin nicht viel, der Müller erschien zudem un¬ erwartet und früher als man geglaubt, mein Oheim und seine Sippschaft forderten mich auf, ihn fahren zu lassen und zu bleiben, in meinem Herzen schrie es nach Anna und nach dem stillen
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beim Erwachen war ich wie von einem heißen Quell der Gluͤckſeligkeit durchtraͤnkt und berauſcht. Die Nacht in meinem Bewußtſein war wie ein großes ſchoͤnes Ereigniß und alle ihre verwirrten Traͤume ließen den Eindruck der ſchoͤnſten Wirk¬ lichkeit zuruͤck, ich war wie ein neuer Menſch, reicher an Wiſſen und Erfahrung als geſtern, und doch wußte ich Nichts und haͤtte es in keine Worte faſſen koͤnnen.
Ich ging noch immer trunken und traͤumend unter meine Verwandten und fand in der Wohn¬ ſtube den benachbarten Muͤller vor, welcher mit einem leichten Fuhrwerke meiner harrte, um mich mit nach der Stadt zu nehmen. Meine Ruͤckkehr war naͤmlich, ſeit einiger Zeit beſtimmt, an die Geſchaͤftsreiſe dieſes Mannes geknuͤpft und zu¬ faͤllig verabredet worden, da das Fahren mit ihm einige Bequemlichkeit bot. Ich fragte nach dieſer ohnehin nicht viel, der Muͤller erſchien zudem un¬ erwartet und fruͤher als man geglaubt, mein Oheim und ſeine Sippſchaft forderten mich auf, ihn fahren zu laſſen und zu bleiben, in meinem Herzen ſchrie es nach Anna und nach dem ſtillen
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beim Erwachen war ich wie von einem heißen
Quell der Gluͤckſeligkeit durchtraͤnkt und berauſcht.
Die Nacht in meinem Bewußtſein war wie ein
großes ſchoͤnes Ereigniß und alle ihre verwirrten
Traͤume ließen den Eindruck der ſchoͤnſten Wirk¬
lichkeit zuruͤck, ich war wie ein neuer Menſch,
reicher an Wiſſen und Erfahrung als geſtern,
und doch wußte ich Nichts und haͤtte es in keine
Worte faſſen koͤnnen.
Ich ging noch immer trunken und traͤumend
unter meine Verwandten und fand in der Wohn¬
ſtube den benachbarten Muͤller vor, welcher mit
einem leichten Fuhrwerke meiner harrte, um mich
mit nach der Stadt zu nehmen. Meine Ruͤckkehr
war naͤmlich, ſeit einiger Zeit beſtimmt, an die
Geſchaͤftsreiſe dieſes Mannes geknuͤpft und zu¬
faͤllig verabredet worden, da das Fahren mit ihm
einige Bequemlichkeit bot. Ich fragte nach dieſer
ohnehin nicht viel, der Muͤller erſchien zudem un¬
erwartet und fruͤher als man geglaubt, mein
Oheim und ſeine Sippſchaft forderten mich auf,
ihn fahren zu laſſen und zu bleiben, in meinem
Herzen ſchrie es nach Anna und nach dem ſtillen
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/157>, abgerufen am 24.11.2024.
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