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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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für den unkundigen Beschauer. Diese gewandte,
obschon falsche Technik war das eigentliche Wis¬
sen meines Meisters, und er legte alles Gewicht
seines Unterrichtes auf diesen Punkt. Da er,
während meiner Uebungen mit Stift, Kreide und
Feder, über den Zweck derselben, als da sind die
Eigenthümlichkeiten in den Ausladungen, den
Silhouetten und Laubmassen der Bäume, sowie
ihrer Charaktere, der Rinden und Aeste, nicht
viel zu sagen wußte, so veranlaßte er mich bald,
die lithographirten Pariser Blätter, welche große
effektvolle Baumgruppen enthielten, in Tusche,
Sepia und dergleichen zu kopiren. Da diese
Sachen nicht sehr gründlich und gut gezeichnet,
hingegen in Ton und Haltung äußerst klar und
kräftig waren, wobei Vieles der vollendeten Tech¬
nik des Steindruckes zugeschrieben werden konnte,
so boten sie meinem Vorgesetzten günstige Ge¬
legenheit, seine Erfahrung und Strenge hinsicht¬
lich durchsichtiger und reiner Töne und Halbtöne
an den Mann zu bringen.

Anfänglich hielt er mich eine Weile in respek¬
tirlicher Abhängigkeit, indem ich den Unterschied

fuͤr den unkundigen Beſchauer. Dieſe gewandte,
obſchon falſche Technik war das eigentliche Wiſ¬
ſen meines Meiſters, und er legte alles Gewicht
ſeines Unterrichtes auf dieſen Punkt. Da er,
waͤhrend meiner Uebungen mit Stift, Kreide und
Feder, uͤber den Zweck derſelben, als da ſind die
Eigenthuͤmlichkeiten in den Ausladungen, den
Silhouetten und Laubmaſſen der Baͤume, ſowie
ihrer Charaktere, der Rinden und Aeſte, nicht
viel zu ſagen wußte, ſo veranlaßte er mich bald,
die lithographirten Pariſer Blaͤtter, welche große
effektvolle Baumgruppen enthielten, in Tuſche,
Sepia und dergleichen zu kopiren. Da dieſe
Sachen nicht ſehr gruͤndlich und gut gezeichnet,
hingegen in Ton und Haltung aͤußerſt klar und
kraͤftig waren, wobei Vieles der vollendeten Tech¬
nik des Steindruckes zugeſchrieben werden konnte,
ſo boten ſie meinem Vorgeſetzten guͤnſtige Ge¬
legenheit, ſeine Erfahrung und Strenge hinſicht¬
lich durchſichtiger und reiner Toͤne und Halbtoͤne
an den Mann zu bringen.

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[167/0177] fuͤr den unkundigen Beſchauer. Dieſe gewandte, obſchon falſche Technik war das eigentliche Wiſ¬ ſen meines Meiſters, und er legte alles Gewicht ſeines Unterrichtes auf dieſen Punkt. Da er, waͤhrend meiner Uebungen mit Stift, Kreide und Feder, uͤber den Zweck derſelben, als da ſind die Eigenthuͤmlichkeiten in den Ausladungen, den Silhouetten und Laubmaſſen der Baͤume, ſowie ihrer Charaktere, der Rinden und Aeſte, nicht viel zu ſagen wußte, ſo veranlaßte er mich bald, die lithographirten Pariſer Blaͤtter, welche große effektvolle Baumgruppen enthielten, in Tuſche, Sepia und dergleichen zu kopiren. Da dieſe Sachen nicht ſehr gruͤndlich und gut gezeichnet, hingegen in Ton und Haltung aͤußerſt klar und kraͤftig waren, wobei Vieles der vollendeten Tech¬ nik des Steindruckes zugeſchrieben werden konnte, ſo boten ſie meinem Vorgeſetzten guͤnſtige Ge¬ legenheit, ſeine Erfahrung und Strenge hinſicht¬ lich durchſichtiger und reiner Toͤne und Halbtoͤne an den Mann zu bringen. Anfaͤnglich hielt er mich eine Weile in reſpek¬ tirlicher Abhaͤngigkeit, indem ich den Unterſchied

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/177>, abgerufen am 25.11.2024.