stellte mir der Oheim, um mich wieder auf eine reale Bahn zu leiten, die Aufgabe, seine Besitzung, Haus, Garten und Bäume, genau und bedächtig zu zeichnen und ein getreues Bild davon zu ent¬ werfen. Er machte mich aufmerksam auf alle Eigenthümlichkeiten und auf das, was er beson¬ ders hervorgehoben wünschte, und wenn seine Andeutungen auch eher dem Bedürfnisse eines rüstigen Besitzers, als denjenigen eines Kunst¬ verständigen entsprachen, so ward ich doch da¬ durch genöthigt, die Gegenstände wieder einmal genau anzusehen und in allen ihren eigenthüm¬ lichen Oberflächen zu verfolgen. Die aller ein¬ fachsten Dinge am Hause selbst, sogar die Ziegel auf dem Dache, gaben mir nun wieder mehr zu schaffen, als ich je gedacht hatte, und veranlaßten mich, auch die umstehenden Bäume in gleicher Weise gewissenhafter zu zeichnen; ich lernte die aufrichtige Arbeit und Mühe wieder kennen, und indem darüber eine Arbeit entstand, die mich in ihrer anspruchlosen Durchgeführtheit selbst unend¬ lich mehr befriedigte, als die marktschreierischen Produkte der jüngsten Zeit, erwarb ich mir mit
ſtellte mir der Oheim, um mich wieder auf eine reale Bahn zu leiten, die Aufgabe, ſeine Beſitzung, Haus, Garten und Baͤume, genau und bedaͤchtig zu zeichnen und ein getreues Bild davon zu ent¬ werfen. Er machte mich aufmerkſam auf alle Eigenthuͤmlichkeiten und auf das, was er beſon¬ ders hervorgehoben wuͤnſchte, und wenn ſeine Andeutungen auch eher dem Beduͤrfniſſe eines ruͤſtigen Beſitzers, als denjenigen eines Kunſt¬ verſtaͤndigen entſprachen, ſo ward ich doch da¬ durch genoͤthigt, die Gegenſtaͤnde wieder einmal genau anzuſehen und in allen ihren eigenthuͤm¬ lichen Oberflaͤchen zu verfolgen. Die aller ein¬ fachſten Dinge am Hauſe ſelbſt, ſogar die Ziegel auf dem Dache, gaben mir nun wieder mehr zu ſchaffen, als ich je gedacht hatte, und veranlaßten mich, auch die umſtehenden Baͤume in gleicher Weiſe gewiſſenhafter zu zeichnen; ich lernte die aufrichtige Arbeit und Muͤhe wieder kennen, und indem daruͤber eine Arbeit entſtand, die mich in ihrer anſpruchloſen Durchgefuͤhrtheit ſelbſt unend¬ lich mehr befriedigte, als die marktſchreieriſchen Produkte der juͤngſten Zeit, erwarb ich mir mit
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ſtellte mir der Oheim, um mich wieder auf eine
reale Bahn zu leiten, die Aufgabe, ſeine Beſitzung,
Haus, Garten und Baͤume, genau und bedaͤchtig
zu zeichnen und ein getreues Bild davon zu ent¬
werfen. Er machte mich aufmerkſam auf alle
Eigenthuͤmlichkeiten und auf das, was er beſon¬
ders hervorgehoben wuͤnſchte, und wenn ſeine
Andeutungen auch eher dem Beduͤrfniſſe eines
ruͤſtigen Beſitzers, als denjenigen eines Kunſt¬
verſtaͤndigen entſprachen, ſo ward ich doch da¬
durch genoͤthigt, die Gegenſtaͤnde wieder einmal
genau anzuſehen und in allen ihren eigenthuͤm¬
lichen Oberflaͤchen zu verfolgen. Die aller ein¬
fachſten Dinge am Hauſe ſelbſt, ſogar die Ziegel
auf dem Dache, gaben mir nun wieder mehr zu
ſchaffen, als ich je gedacht hatte, und veranlaßten
mich, auch die umſtehenden Baͤume in gleicher
Weiſe gewiſſenhafter zu zeichnen; ich lernte die
aufrichtige Arbeit und Muͤhe wieder kennen, und
indem daruͤber eine Arbeit entſtand, die mich in
ihrer anſpruchloſen Durchgefuͤhrtheit ſelbſt unend¬
lich mehr befriedigte, als die marktſchreieriſchen
Produkte der juͤngſten Zeit, erwarb ich mir mit
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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