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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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nickte sie mir leicht zu mit einem etwas spötti¬
schen Lächeln.

Der Schulmeister begrüßte uns mit Freuden
und vor Allen seine Tochter, die er sehnlich zu¬
rück erwartet. Denn sie war nun die Erfüllung
seines Ideales geworden, schön, fein, gebildet und
von andächtigem, edlem Gemüthe, und mit dem
bescheidenen Rauschen ihres Seidenkleides war,
nicht in schlimmem Sinne, eine neue schöne Welt
für ihn aufgegangen. Er hatte zu seinem bis¬
herigen Vermögen noch eine gute Erbschaft ge¬
macht und benutzte diese, ohne Vornehmthuerei,
sich mit allerhand anständigen Annehmlichkeiten
zu umgeben. Was seine Tochter nach den aus
Wälschland mitgebrachten Bedürfnissen irgend
wünschen konnte, schaffte er augenblicklich an und
unter diesem Vorwande überdies eine Menge
schöner Bücher für seine eigenen Wünsche. Auch
hatte er seinen grauen Frack mit einem feinen
schwarzen Leibrock vertauscht, wenn er ausging,
und im Hause trug er einen ehrbaren talarartigen
Schlafrock, um mehr das Ansehen eines würdi¬
gen, halbgeistlichen Privatgelehrten zu gewinnen.

nickte ſie mir leicht zu mit einem etwas ſpoͤtti¬
ſchen Laͤcheln.

Der Schulmeiſter begruͤßte uns mit Freuden
und vor Allen ſeine Tochter, die er ſehnlich zu¬
ruͤck erwartet. Denn ſie war nun die Erfuͤllung
ſeines Ideales geworden, ſchoͤn, fein, gebildet und
von andaͤchtigem, edlem Gemuͤthe, und mit dem
beſcheidenen Rauſchen ihres Seidenkleides war,
nicht in ſchlimmem Sinne, eine neue ſchoͤne Welt
fuͤr ihn aufgegangen. Er hatte zu ſeinem bis¬
herigen Vermoͤgen noch eine gute Erbſchaft ge¬
macht und benutzte dieſe, ohne Vornehmthuerei,
ſich mit allerhand anſtaͤndigen Annehmlichkeiten
zu umgeben. Was ſeine Tochter nach den aus
Waͤlſchland mitgebrachten Beduͤrfniſſen irgend
wuͤnſchen konnte, ſchaffte er augenblicklich an und
unter dieſem Vorwande uͤberdies eine Menge
ſchoͤner Buͤcher fuͤr ſeine eigenen Wuͤnſche. Auch
hatte er ſeinen grauen Frack mit einem feinen
ſchwarzen Leibrock vertauſcht, wenn er ausging,
und im Hauſe trug er einen ehrbaren talarartigen
Schlafrock, um mehr das Anſehen eines wuͤrdi¬
gen, halbgeiſtlichen Privatgelehrten zu gewinnen.

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[245/0255] nickte ſie mir leicht zu mit einem etwas ſpoͤtti¬ ſchen Laͤcheln. Der Schulmeiſter begruͤßte uns mit Freuden und vor Allen ſeine Tochter, die er ſehnlich zu¬ ruͤck erwartet. Denn ſie war nun die Erfuͤllung ſeines Ideales geworden, ſchoͤn, fein, gebildet und von andaͤchtigem, edlem Gemuͤthe, und mit dem beſcheidenen Rauſchen ihres Seidenkleides war, nicht in ſchlimmem Sinne, eine neue ſchoͤne Welt fuͤr ihn aufgegangen. Er hatte zu ſeinem bis¬ herigen Vermoͤgen noch eine gute Erbſchaft ge¬ macht und benutzte dieſe, ohne Vornehmthuerei, ſich mit allerhand anſtaͤndigen Annehmlichkeiten zu umgeben. Was ſeine Tochter nach den aus Waͤlſchland mitgebrachten Beduͤrfniſſen irgend wuͤnſchen konnte, ſchaffte er augenblicklich an und unter dieſem Vorwande uͤberdies eine Menge ſchoͤner Buͤcher fuͤr ſeine eigenen Wuͤnſche. Auch hatte er ſeinen grauen Frack mit einem feinen ſchwarzen Leibrock vertauſcht, wenn er ausging, und im Hauſe trug er einen ehrbaren talarartigen Schlafrock, um mehr das Anſehen eines wuͤrdi¬ gen, halbgeiſtlichen Privatgelehrten zu gewinnen.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/255>, abgerufen am 15.06.2024.