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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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zu glauben brauchte, was irgend ein Mensch
sagte, alle Menschen aber glaubten, was Er
sagte. Nun konnte er sich freilich stellen, als ob
dem so wäre, und er that es auch, was schon
eine energische Zusammenfassung der einzelnen
Verlogenheiten und seine Hauptlüge war; allein
der Beweis vom wahren Sachverhalte machte
sich doch zu offenbar im Gelächter seiner Neben¬
menschen. Daher fand er kurz und gut seinen
besten Stützpunkt in derjenigen Lehre, welche den
unbedingten Glauben zum Panier erhebt. Schon
daß die allgemeine Richtung der Zeit sich vom
Glauben abwandte und die Mehrzahl der denken¬
den Menschen, wenn sie sich auch nicht dagegen
aussprachen, doch denselben gut sein ließen und
in der Praxis nur auf das Begreifliche und Er¬
kennbare bauten, war ihm Grund genug, sich
dieser Richtung schnurstracks entgegenzustellen und
dabei zu behaupten, der Hang und Drang der
Zeit ginge unverkennbar auf den erneuten Glau¬
ben los; denn er konnte das Lügen nirgends las¬
sen. Diejenigen, welche wirklich glaubten, waren
ihm höchst langweilig und er bekümmerte sich

zu glauben brauchte, was irgend ein Menſch
ſagte, alle Menſchen aber glaubten, was Er
ſagte. Nun konnte er ſich freilich ſtellen, als ob
dem ſo waͤre, und er that es auch, was ſchon
eine energiſche Zuſammenfaſſung der einzelnen
Verlogenheiten und ſeine Hauptluͤge war; allein
der Beweis vom wahren Sachverhalte machte
ſich doch zu offenbar im Gelaͤchter ſeiner Neben¬
menſchen. Daher fand er kurz und gut ſeinen
beſten Stuͤtzpunkt in derjenigen Lehre, welche den
unbedingten Glauben zum Panier erhebt. Schon
daß die allgemeine Richtung der Zeit ſich vom
Glauben abwandte und die Mehrzahl der denken¬
den Menſchen, wenn ſie ſich auch nicht dagegen
ausſprachen, doch denſelben gut ſein ließen und
in der Praxis nur auf das Begreifliche und Er¬
kennbare bauten, war ihm Grund genug, ſich
dieſer Richtung ſchnurſtracks entgegenzuſtellen und
dabei zu behaupten, der Hang und Drang der
Zeit ginge unverkennbar auf den erneuten Glau¬
ben los; denn er konnte das Luͤgen nirgends laſ¬
ſen. Diejenigen, welche wirklich glaubten, waren
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[310/0320] zu glauben brauchte, was irgend ein Menſch ſagte, alle Menſchen aber glaubten, was Er ſagte. Nun konnte er ſich freilich ſtellen, als ob dem ſo waͤre, und er that es auch, was ſchon eine energiſche Zuſammenfaſſung der einzelnen Verlogenheiten und ſeine Hauptluͤge war; allein der Beweis vom wahren Sachverhalte machte ſich doch zu offenbar im Gelaͤchter ſeiner Neben¬ menſchen. Daher fand er kurz und gut ſeinen beſten Stuͤtzpunkt in derjenigen Lehre, welche den unbedingten Glauben zum Panier erhebt. Schon daß die allgemeine Richtung der Zeit ſich vom Glauben abwandte und die Mehrzahl der denken¬ den Menſchen, wenn ſie ſich auch nicht dagegen ausſprachen, doch denſelben gut ſein ließen und in der Praxis nur auf das Begreifliche und Er¬ kennbare bauten, war ihm Grund genug, ſich dieſer Richtung ſchnurſtracks entgegenzuſtellen und dabei zu behaupten, der Hang und Drang der Zeit ginge unverkennbar auf den erneuten Glau¬ ben los; denn er konnte das Luͤgen nirgends laſ¬ ſen. Diejenigen, welche wirklich glaubten, waren ihm hoͤchſt langweilig und er bekuͤmmerte ſich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/320>, abgerufen am 25.11.2024.